„Die Angst um sein bisschen Leben“

von Redaktion

Lesung aus den Tagebüchern von Anne Frank und Elisabeth Block im „Affekt“

Rosenheim – Das berühmteste Tagebuch der Welt, nämlich das fast hochliterarische der Anne Frank, und das Tagebuch einer einfachen Schülerin aus Rosenheim, nämlich das von Elisabeth Block, waren vermischt in einer theatralischen Lesung im „Affekt“ – genauer gesagt nicht vermischt, sondern nebeneinandergestellt. Anna Grude führte Regie, Livia Schoeler las, Aussagen und Fragen von Schülern und Schülerinnen der Michael-Ende-Mittelschule Raubling waren eingespielt.

Projizierte Sätze
überfluten die Bühne

Der Boden war übersät mit Blättern und Folien, weiße Stoffbahnen fungierten als Leinwände, eine Plexiglasscheibe konnte bemalt und mit den Folien beklebt werden. Livia Schoeler setzte sich auf einen weißen Würfel und begann sehr akzentuiert zu lesen, bewegte sich dann mehr hin und her, löste sich oft vom Text und sprach auswendig, irgendwann überfluteten die Worte aus Elisabeth Blocks Tagebuch die weißen Leinwände und die Schauspielerin. Die Bühne ist eingerichtet, um auch in einem Klassenzimmer zu funktionieren, denn die Akteure wollen damit Schüler erreichen, die im selben Alter wie Anne Frank und Elisabeth Block sind.

Livia Schoeler begann und endete mit Auszügen aus Anne Franks Tagebuch, der wesentlich größere Anteil gehörte dem Tagebuch der Elisabeth Block. Die schildert ganz banale Alltagserlebnisse, auch mal einen sehr langweiligen Sonntag, schwärmt von den Autoausflügen in die Berge, aber auch ganz naiv vom Treffen des Bundes Deutscher Mädel (BDM) in Rosenheim, erzählt dann aber ganz sachlich, eher unpolitisch, wie ihr Leben als jüdische Familie immer mehr eingegrenzt wird, vom Verbot, weiter in die Mädchenrealschule zu gehen bis dahin, dass Autopapiere und Führerschein eingezogen wurden und sie aus ihrer Wohnung ausziehen müssen. Ein Hoffnungsschimmer glimmt auf: Sie bekommen die Einreisemöglichkeit nach Buenos Aires, vom argentinischen Konsul aber kein Visum: Der Schrecken des Holocaust wird am Einzelschicksal miterlebbar bis zur Deportation ins KZ.

Die beiden Tagebücher waren in der Lesung nicht verschränkt, vielmehr ergänzten sie sich. „Die Angst um sein bisschen Leben“ beschreibt am Ende auch Anne Frank. Gestorben, ja ermordet, sind beide, sie und Elisabeth Block.

Klassenzimmerstück
für Schulen

Das Stück soll fortan als Klassenzimmerstück in Rosenheimer Schulen gespielt werden: Anfragen an schulen@junges-theater-rosenheim.de. Es ist auch im Rahmenprogramm der Ausstellung Heldinnen und Helden am 13./14. April um 19 Uhr im Lokschuppen Rosenheim zu sehen.

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