Rosenheim – GGG, wie ihr prägnantes Namenskürzel lautet, war eine bekannte Erscheinung im Rosenheimer Stadtbild. Der schlanken Gestalt der passionierten Fußgängerin – Auto und Führerschein besaß sie nie, das Radfahren hatte sie nach einem Sturz in Kindertagen aufgegeben – konnte man in Stadt und Region begegnen. Am 16. April wäre Gertruda Gruber-Goepfertova 100 Jahre alt geworden. Grund genug, an die Malerin, Illustratorin, Dichterin und Autorin zu erinnern.
Talente in
die Wege gelegt
„Einer meiner beiden Großväter konnte hervorragend zeichnen, der andere wunderbar Geschichten erzählen. Ich denke, ich habe diese Talente von beiden geerbt“, erzählte Gertruda Gruber-Goepfertova, als die Verfasserin gemeinsam mit der Künstlerin ihre große Retrospektive in der Städtischen Galerie Rosenheim für den Winter 2009/2010 vorbereitete.
Beide Talente vereinte sie in der Serie der „Dorfskizzenblätter“, die ab 1976 in den OVB-Heimatzeitungen erschien. Hans Heyn war in einer Ausstellung in Schloss Amerang auf die treffsicheren und gekonnt skizzierten Zeichnungen von Dorfszenerien, Bauernhäusern, barocken Kirchen und liebevoll festgehaltenen Architekturdetails der damals noch in München Lebenden aufmerksam geworden. Der Kulturredakteur der OVB-Heimatzeitungen war auf der Suche nach einem Illustrator, der als „Wildfremder“ Eindrücke aus ausgewählten Dörfern in Oberbayern schildern konnte. In Gertruda Gruber-Goepfertova hatte er genau die Richtige gefunden. Gemeinsam entwickelten sie das neue Format, dem Heyn den prägnanten Namen „Dorfskizzenblätter“ gab.
Von Allmertsham
bis Zellerreit
Bereits als Schülerin hatte sie begonnen, sich im Zeichnen zu üben und kleine Szenerien unterwegs skizziert. Nun hielt sie auf ihren Exkursionen gezielt Eindrücke fest und schrieb dazu Texte mit viel Wissenswertem zu den Orten. Auch menschliche Begegnungen kamen nicht zu kurz. 1985 und 1997 erschienen 120 bzw. 126 dieser gerne gelesenen Folgen in Buchform. Was mit Berbling begonnen hatte, umfasste nun Orte von Allmertsham bis Zellerreit und Am Gries in Prien bis Zunham.
Ein Satz im Vorwort der Künstlerin zu Band 2 ihrer „Dorfskizzenblätter“ lässt tief blicken: „Die Tätigkeit war mit meinem ständigen Wunsch verbunden, sich das Land, in dem ich wohnte, zu erobern, nicht fremd zu bleiben, sondern mich „in der eigenen Welt“ heimisch zu fühlen.“ Die Jahrzehnte im Exil hatten ihre Spuren hinterlassen.
Gertruda Gruber-Goepfertova wurde am 16. April 1924 in Janštejn bei Iglau in Mähren geboren. Auch wenn ihre Jugendjahre überschattet waren von häufigen Umzügen, bedingt durch den Beruf des Vaters als Entwerfer und Verwalter bei verschiedenen Glashütten, dem Tod der Eltern und der Zwangsarbeit unter den deutschen Besatzern in der Glasfabrik von Kyjov nach dem Abitur 1943, blickte sie stets entschlossen nach vorne und nahm ihr Schicksal tatkräftig in die Hand.
Mit 20 Jahren heiratete sie 1944 Dr. Leo Gruber (1913 bis 1995). 1946 zog das Paar nach Prag, wo der Jurist eine Stelle am Sozialministerium erhielt. Gertruda, die schon früh vom Vater Jiri Goepfert gefördert worden war und bereits als Schülerin Zeichnungen und Texte in mehreren Zeitschriften veröffentlicht hatte, studierte an der Kunstgewerbehochschule. 1948 erhielt die Absolventin einen Preis für ihre Entwürfe zu Zündholzschachteln. Doch im gleichen Jahr hatten die Kommunisten in der Tschechoslowakei die Macht übernommen und deshalb plante das Ehepaar Gruber die Emigration in den Westen.
Der erste Schritt war ein Auslandsstipendium, das die junge Künstlerin im Sommer 1949 für zwei Monate in die Schweiz in die lithografische Anstalt der Kunstdruckerei Orell-Füssli nach Zürich führte. Dann reiste sie weiter nach Paris, um bis 1952 an der Ècole nationale supérieure des beaux-arts zu studieren. Leo Gruber konnte über die „grüne Grenze“ nach Österreich fliehen und traf Ende 1949 ebenfalls in Paris ein.
1979 Umzug
nach Rosenheim
Als ihr Mann 1953 in München in der Europazentrale des US-Senders „Radio Free Europe“ eine feste Stelle als Journalist erhielt, zog das Ehepaar nach Bayern um. Die Sommerferien verbrachte die mittlerweile siebenköpfige Familie Gruber jahrelang auf einem Bauernhof in der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte. Da ihnen die Gegend bestens gefiel, wollten sie, wenn Leo Gruber in Rente geht, nach Bad Endorf ziehen. Doch da sie kein geeignetes Haus fanden, landeten sie 1979 in Rosenheim. Ihre letzten 25 Jahre wohnte GGG Am Stocket in einem romantischen Haus mit richtigem Künstlerflair. Hier starb die 90-Jährige am 30. Juli 2014.
Zuletzt ordnete die bis ins hohe Alter unermüdlich Kreative ihren Nachlass sehr bewusst und klar, wie sie überhaupt rational dachte und handelte. Der schriftliche Nachlass ging nach Nürnberg ins Deutsche Kunstarchiv, der künstlerische Nachlass an die Stadt Rosenheim, wo er im Depot des Städtischen Museums und im Stadtarchiv bewahrt und bearbeitet wird. 2010 erhielt die Künstlerin die Verdienstmedaille der Stadt Rosenheim.
Gertruda Gruber-Goepfertova sagt über ihre Kunst: „Ich male nicht die ‚typischen Motive‘ einer Stadt, ihre Türme z. B. oder Ähnliches, sondern die Motive, in denen die Flächen und Farben, ihre Farbtöne, ihre Harmonien, gute Kompositionen zusammen bilden, wo gelungene Bilder entstehen – es sind also ‚abstrakte Bilder mit gegenständlichem Inhalt‘.“
Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland begleiteten den erfolgreichen Weg der geschätzten Malerin und Grafikerin und schließen einen Bogen von einer ersten Einzelausstellung in Paris 1950, über München und Rosenheim bis nach Tschechien, wohin sie nach dem Fall des Ostblocks 1989 wieder reisen konnte.
Zusammen mit der „Edition Hundsdruck“ des früh verstorbenen Andreas Opperer (1960 bis 2010) und seiner Frau Brigitte Reich-Opperer, die für ihre Buchkunst 2004 den Kulturförderpreis der Stadt Rosenheim erhielten, verlegte GGG bibliophile Schätze: „Der Inn“ (1996), ein Gedichtband mit Originalgrafik, und die beiden Bilderbücher „Die Geschichte von Vater Hase, Mutter Eichhörnchen und zwei Kinder Eichhörnchen“ (2005) und „Mein Hund Dagobert“ (2009).
Marketing-Frau
in eigener Sache
Auf ihren Spaziergängen entdeckte die aufmerksame Beobachterin unbekannte Ecken in Rosenheim und hielt sie in ihren Bildern fest. So manches Haus gibt es heute nicht mehr. Regelmäßig erschien sie in der OVB-Redaktion, um dort auf ihre aktuellen Projekte und Ausstellungen aufmerksam zu machen. In ihrer Handtasche hatte sie immer einen kleinen Stapel von Flyern und Postkarten dabei und verteilte sie großzügig an Interessierte; eine stets präsente Marketing-Frau in eigener Sache.