Bad Aibling – Seinen jungen Musikern und Musikerinnen des Orchesters „Die Arche“ gibt Rainer Heilmann-Mirow immer große Ziele vor, an denen sie musikalisch wachsen und reifen können. Der Prozess ist dabei fast wichtiger als das daraus erwachsene Produkt.
Heilmann-Mirow schreckt vor nichts zurück und traut seinen Musikern alles zu. Diesmal hat er nur Werke aus der französischen Musik gewählt und damit auch die Zuhörer überrascht, denn die Werke hört man selten bis gar nicht in Konzerten. Dass – beim jugendlichen Alter der Musiker – nicht alles immer ganz tonrein und homogen ist, ist klar. Ein bisschen geholfen hätte, wenn das Orchester sich vorher richtig eingespielt beziehungsweise eingestimmt hätte. Aber der richtige Impetus ist da, die Freude und der Stolz, so gewichtige symphonische Werke spielen zu dürfen und zu können, ist den Musikern und Musikerinnen anzusehen und diese Freude geht auf die Zuhörer im Novalishaus über. Rainer Heilmann-Mirow hilft seinen Musikern nicht nur mit exakten dirigentischen Gesten, sondern auch mit suggestiven Körperbewegungen.
Gleich zwei Solisten durften sich präsentieren: Die Harfenistin Norea Nettekoven stammt aus Prien, hat schon mehrere internationale Preise gewonnen und spielt regelmäßig bei den Tiroler Festspielen Erl mit – vollkommen zu Recht: In den zwei „Danses pour Harpe chromatique“ von Claude Debussy ließ sie einen schönen weichen, runden und vollen Harfenton und im Piano einen feinen Glitzerton hören, übernahm musikalisch die Führung, spielte sehr temperamentvoll und lebendig und verzauberte dann alle mit einer Zugabe, in der eine süße Melodie von Harfenakkorden umrauscht wurde. Das Streichorchester hatte sich im zweiten Tanz, dem „Danse profane“, schön im Walzertakt gewiegt.
Die Musik von Jean Françaix ist eine deutliche Abkehr von Debussys rauschhafter Musik. Seine Musik strotzt vor Eleganz, Erfindungsreichtum und rhythmischer Raffinesse, er will eine „musique pour faire plaisier“, also eine Musik, die Vergnügen macht, die unterhält. Sein Klarinettenkonzert aus dem Jahre 1967 ist witz- und finessenreich, rhythmisch vertrackt und insgesamt sehr heiter.
Auch der Solist Emanuel Wilhelm ist dem Orchester „Die Arche“ entwachsen. Die technischen Schwierigkeiten seines Parts schienen ihm nichts auszumachen, er beherrscht alle Klarinettenspieltechniken souverän, rutscht lustig die schnellen Tonskalen auf und ab, ist immer quirlig, sprudelt manchmal dunkel vor sich hin oder jauchzt vergnüglich auf, alles ist spielerisch und geradezu spitzbübisch und manchmal wie Nachtigallen- oder Lerchengesang.
Mit dem Orchester gibt es stimmiges Zusammenwirken, Dialoge mit dem Fagott oder den hell zwitschernden Flöten, im Orchester gibt’s Weben und Wogen oder einen subtilen Tanzorchesterklang.
Mit der d-Moll-Symphonie von César Franck ging’s wieder zurück in die französische Romantik. Nach tiefsinnig-dunkeltönigem Beginn steigerte sich das Orchester gut bis hin zum eindrücklich hervorgehobenen, fast hymnischen Thema, die harfenunterstützten Pizzikati im zweiten Satz waren exakt, das Englischhorn intonierte schön seinen Einsatz (und bekam dafür einen Sonder-Schlussapplaus), das Horn folgte ebenso wie die weich klingenden Trompeten. Alle waren sie beteiligt an der orchestralen Ausmalung der farbenreichen Instrumentierung dieser Symphonie, der Hans-Klaus Jungheinrich in seinem „Musikroman“, der Monografie über die Symphonie, „schönste Wohlgelungenheit“ attestierte. Als Zugabe – es blieb französisch – kam die „Farandole“ aus der Suite „L‘Arlesienne“ von Georges Bizet – und endlich kam die Große Trommel zum Einsatz, die bisher einsatzlos im Bühnenhintergrund stand.RAINER W. JANKA