Traunstein – Angesichts des gefühlten neuen Wintereinbruchs hätte Razvan Popovici beim Eröffnungskonzert des „21. Chiemgauer Musikfrühling“ im Kulturforum Klosterkirche zur Begrüßung beinahe „frohe Weihnachten“ gewünscht, zumal das Ensemble gerade von einer Konzertreise in der Karibik zurückgekommen war. Zusammen mit seiner Frau Diana Ketler stellte Popovici, Initiator und Leiter des Musikfrühlings, die ausgesucht schönen, teils selten gespielten Kompositionen des Abends vor.
Möglicherweise wegen des unbekannten Programms war der große Saal nicht vollständig ausverkauft, dafür aber waren viele dem Musikfrühling seit vielen Jahren treue, konzentriert lauschende Konzertbesucher erschienen.
Den Anfang machte die Suite „Much ado about nothing“, opus 11, für Violine und Klavier des österreichisch-amerikanischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold. Der junge Komponist, der schon mit zwölf Jahren als Wunderkind galt, hatte um 1918 die sofort von großem Erfolg gekrönte Suite nach dem Titel von Shakespeares berühmter Komödie in vier kurzen, sehr unterschiedlichen Sätzen geschrieben: zuerst zart romantische Klänge zum „Mädchen im Brautgemach“, dann leidenschaftlich-temperamentvoll „Holzapfel und Schlehwein“, das romantische „Intermezzo“ einer Gartenszene und schließlich endend mit dem „Mummenschanz“, der eine Verballhornung auf den Begräbniszug in Gustav Mahlers Liedersammlung „Der Knabe mit dem Wunderhorn“ ist. Neben den unvergleichlich weichen Klängen der Pianistin Diana Ketler brillierte die russisch-belgische Geigerin Tatiana Samouil, Preisträgerin großer Violinwettbewerbe wie dem internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau 2002 und ständiges Mitglied der Yuri-Bashmet-Academy.
Ein kaum aufgeführtes Stück folgte mit dem Quartett für Klarinette, Geige, Violoncello und Klavier von Paul Hindemith, geschrieben 1938. Besonders Thorsten Johanns, Professor für Klarinette an der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar und langjähriges Mitglied beim Musikfrühling, beeindruckte durch sein immens vielfältig variierendes Spiel, am Klavier virtuos begleitet von Diana Ketler, auf der Geige von Tatiana Samouil und Thomas Carroll am Cello.
Nach der Pause standen die „Vier Phantasien über Gedichte“ von Richard Dehmel für Klarinette und Klavier, opus 9, von Alexander von Zemlinsky auf dem Programm. Charakteristisch für seinen Stil ist die vorantreibende Kraft der Themen, die expressiven Steigerungen, die in ihrer Intensität zum Kühnsten gehören, was vor der Jahrhundertwende komponiert wurde. Thorsten Johanns und Diana Ketler interpretierten berückend schön die vier romantischen Liebesgedichte von „Stimme des Abends“ über „Waldseligkeit“, „Liebe“ und zum Schluss das schelmisch muntere „Käferlied“.
Als letztes Stück erklang das letzte Streichquintett von Wolfgang Amadeus Mozart in Es-Dur, KV 614, bei dem wieder die Bratschen, tief inspiriert gespielt von Razvan Popovici und Tomoko Akasaka, eine große Rolle spielten, vollkommen harmonierend mit den beiden Geigen von Tatiana Samouil und Nicholas Dautricourt und dem Violoncello von Thomas Carroll. Federleicht schienen die Streichinstrumente in einem fortwährenden, mal fröhlichen, mal ernster werdenden Diskurs miteinander zu stehen, oft angeführt von der ersten, den Ton angebenden Geige. Alle Musiker überzeugten durch ihr virtuoses, mit voller Hingabe und Konzentration aufeinander abgestimmtes Spiel, aber auch durch Temperament und reine Spielfreude. Der Beifall wollte nicht enden. Christiane Giesen