„Der Preiß ist omnipräsent!“

von Redaktion

Markus Stoll alias Harry G über den Grant, seine schärfste Kritikerin und Selbstzweifel

Rosenheim – Er hat mehr als eine Million Follower auf Social Media, über 500 ausverkaufte Shows im deutschsprachigen Raum absolviert, mehrere Hundert Millionen Zugriffe auf seine Videoclips. Er spielte die Hauptrolle in der Amazon-Prime Serie „Der Beischläfer“ und übernahm mehrfach Rollen bei den „Rosenheim Cops“. Am 4. Mai spielt Markus Stoll alias Harry G im Rosenheimer Kuko. Der fürs Grantln bekannte Comedian im Interview über Lastenräder, seinen plötzlichen Erfolg vor über zehn Jahren, warum er sich selbst oft unsicher ist und wie er sich reflektiert.

Was verbindet dich mit diesem Ort, dem Viktualienmarkt?

Ein besonderer Moment. Am Morgen nach dem Über-Nacht-Erfolg des „Wiesn-Videos“ 2013 saß ich hier in einem Café und plötzlich kam der Bastian Schweinsteiger zu mir und hat mich darauf angesprochen. Und auch andere Leute wollten mit mir sprechen und Fotos machen. Das war schon krass damals. Ich bin immer noch sehr gerne hier, lege auch, wann immer möglich, meine Termine so, dass man sich hier treffen kann.

Du wurdest tatsächlich 2013 über Nacht berühmt. Dein Video über die verschiedenen Zelte auf der Münchner Wiesn und in welches Zelt man gehen muss, wenn man zum Beispiel „keine Stimmung haben möchte“, brach damals alle Rekorde. Wie entstand Harry G eigentlich?

Es gab davor schon Videos, zum Beispiel das auch viel beachtete Video vom „Isarpreißn am Tegernsee“. Das habe ich dann von Youtube auf Facebook geteilt und gleich den Nerv getroffen, weil es ganz frisch und anders war. Da war jemand, der relativ gschert, sehr deutlich Themen angefasst hat, die viele Menschen aufregen, die diese aber aus privaten Gründen selbst nicht so rausschreien können. Und dann kamen die „Wiesn-Guides“. Das hat bis dahin noch keiner so gesagt, nie hat jemand so direkt öffentlich über die einzelnen Wirte oder Zelte gesprochen. Heute ist es normal so etwas zu sagen wie: „Wenn du keine Stimmung willst, gehst du zu so und so…“, das war damals total neu und ging, wie man neudeutsch sagt, viral. Gut für Harry G (lacht).

Wie haben die Wiesn-Wirte darauf reagiert?

Gemischt, es hat nicht jeder mit Humor genommen. Vor allem die nicht, die nicht so gut weggekommen sind. Aber die meisten finden es bis heute lustig und ich bin durch den Clip tatsächlich auch mit einigen freundschaftlich verbunden.

Harry G – Was ist das für ein Name? Und wofür steht das „G“?

Als ich gemerkt habe, dass ich mit meinen Themen und Clips immer erfolgreicher wurde, musste ein Name her, der von der Bild bis zum Radl-Magazin gut passt. Harald Gmeinwieser war ein Bekannter von meinem Vater, den ich für seine grantige Art immer sehr bewundert habe. Und so wurde Harry G geboren. Der Name hat einen sehr guten Wiedererkennungswert und passt auch sehr gut zu mir, ich habe mich mit der Idee sofort wohlgefühlt. Manchmal, nach über zehn Jahren bin ich fast a bisserl stolz drauf, dass ich damals ein paar Sachen so intuitiv richtig entschieden hab.

Du bist neben deinem Comedyprogramm auch immer wieder im Film und TV zu sehen. Wo siehst du dich selbst ganz persönlich? Bist du ein Comedian oder ein Schauspieler?

Bei den Rosenheim Cops habe ich Gastrollen gespielt, wie bei den Eberhofer-Filmen auch. Das hat Spaß gemacht, aber als Charlie Menzinger in „Der Beischläfer“ habe ich zum ersten Mal so richtig ins Schauspielerleben geschnuppert, mit allen Vor- und Nachteilen. Das war eine tolle Sache, aber ich sehe mich selbst immer noch mehr als Comedian, daran hängt mein Herz so richtig.

Du bist nun seit mehr als zehn Jahren sehr erfolgreich, im Moment auch einer der gefragtesten Comedians nicht nur in Bayern. Was ist das Geheimnis deines Erfolges?

Ich glaube, meine direkte, ungefilterte, ungeschminkte Art, Dinge aus- und anzusprechen. Ich nehme kein Blatt vor den Mund und bin auch in der Wahl meiner Worte nicht immer überlegt, im Gegenteil. Ich spreche aus, was viele meiner Fans denken, aber aus den verschiedensten Gründen nicht sagen können. Wer will schon seinen Job verlieren, weil er seinen Chef einen Dreckhammel nennt? Oder seine Wohnung, wenn er seinen Vermieter einen gierigen Lump nennt. Ich bin aber nicht immer so böse (lacht).

Woher kommen diese Themen? Sitzt du im Café in der Stadt und beobachtest die Menschen?

Ja, tatsächlich ist es oft so, dass ich unterwegs bin und klassische Alltagsbeobachtungen mich inspirieren. Ich bekomme aber auch Nachrichten und Mails mit Themen, die meine Follower gerne besprochen hätten. Und häufig treffen die ins Schwarze, weil ich deren Meinung teile und Themen deshalb gerne aufgreife. Aktuell zum Beispiel: „Wie konnten eigentlich Menschen früher ohne Bollerwagen in einen Freizeitpark oder auf den Spielplatz gehen? Mit Rucksack? Plastiktüte? Einer Schubkarre? So in etwa entstehen bei mir die Themen, diesen Gedanken spinne ich solange weiter, bis er für einen Clip oder einen Beitrag für die Bühne ausgereift ist. Das dauert, je nach Thema, unterschiedlich lang.

Wer ist dein stärkster Kritiker?

Meine Frau ist eine starke Kritikerin. Aber mein größter Kritiker bin ich selbst. Im Sinne von Hinterfrager. Also bei mir ist das so. Ich weiß eigentlich nach zehn Jahren ziemlich genau, was gut und was schlecht ankommt, trotzdem bin ich immer noch häufig unsicher. Das finde ich aber, ehrlich gesagt, nicht so schlecht, denn solange das so ist, wird man auch nicht gleichgültig.

Oft in deinen Videos geht es ja um den Preißn. Warum eigentlich?

Ich verstehe die Frage nicht. Wie kann man jemanden, der in München lebt, fragen, warum der den Preißn im Fokus hat? Weil er omnipräsent ist! Und weil er sich regelmäßig lächerlich macht in seinen Bemühungen, sich an den bayerischen Lebensstil anzugleichen. Lebt zwei Monate in München und redet bairisch. Wie sich das anhört, muss ich nicht erklären, oder? Kauft sich eine Tracht und hofft, dass er damit quasi über Nacht dazugehört. Und selbst wenn, und das ist so gut wie nie der Fall, er die perfekte Tracht wählen würde, ich würde allein an der Körperhaltung erkennen, dass es ein Preiß ist, wenn er im Bierzelt vor mir zum Bieseln läuft. Für Harry G ist der Preiß, und ganz speziell der Isarpreiß eine nicht versiegende Quelle zum Grantln. Herrlich.

Lacht man außerhalb von Bayern auch über Harry G?

Ja, das tut man. Zum einen habe ich viele Fans, die mich aus den sozialen Medien kennen und zu meinen Auftritten in Berlin, Hamburg oder Frankfurt kommen. Zum anderen gibt es überall auf der Welt, wirklich überall, Bayern. Die freuen sich, wenn sie Besuch aus der Heimat bekommen.

Zurück zu deiner aktuellen Bühnenshow. Wie probt man so eine Show? Gibt es da Regieanweisungen oder einen Szenenplan wie beim Theater?

Nein, gibt es tatsächlich in der Form so nicht. Die Struktur entsteht beim Schreiben, und ab dem Moment, in dem das Programm auf der Bühne ist, ist es ein dynamischer Prozess. Denn zu jeder Show kommen tagesaktuelle Themen, die man einbaut, Zuschauer werden eingebunden, Örtlichkeiten berücksichtigt und so weiter. Und ich zeichne jede Show mit dem Handy für mich selbst auf, das höre ich mir dann an und analysiere und hinterfrage mich und meine Performance bis ins kleinste Detail. Ich probe quasi 24/7.

Für das, was du tust und womit du so lange schon so erfolgreich bist, braucht man ein gewisses Talent, eine Kreativität. Hast du das von deinen Eltern geerbt?

Mein Vater, leider lebt er nicht mehr, war ein sehr witziger Mensch und hatte eine ziemlich gute Beobachtungsgabe. Er hat sehr gerne rumgeblödelt, einfach mal wildfremde Menschen auf der Straße in einer erfundenen Sprache nach dem Weg gefragt oder witzige Telefonstreiche gemacht. Also mich hat immer beeindruckt, dass er sich das getraut hat. Und sicher hat sein Humor auch Einfluss auf mein Leben genommen, ja.

Wenn du die Welt beeinflussen oder verändern könntest, was würdest du tun?

Weltfrieden anordnen, klar. Aber was ich mir noch wünschen würde, wäre, dass die Menschen immer abwägen, was ist die gesunde Mitte von etwas. Es gibt einen Spruch: Zu viel ist zu viel, zu wenig ist zu wenig. Das passt in so vielen Bereichen des Lebens: Aufmerksamkeit, Ehrgeiz, Liebe, Kritik, Ernährung, Toleranz, und und und. Da würde ich mir wünschen, dass die Menschen mehr in der Mitte denken, als an den Rändern.

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