Singendes Cello und tanzende Violen

von Redaktion

Das sechste Konzert des Chiemgauer Musikfrühlings mit tänzerischer Leichtigkeit

Seeon – Wenn schon keine Frühlingstemperaturen, dann doch wenigstens Chiemgauer Musikfrühling, werden sich die Besucher des sechsten Konzerts der beliebten Klassikmusikreihe gedacht haben. In der schmucken Kirche St. Walburg beim Kloster Seeon freute man sich auf „Der unendliche Tanz“. Der Titel des Konzertabends allein klang vielversprechend, wenn auch keinerlei Spuren vom Lenz zu erspähen waren.

Musik musste Zuhörer von innen wärmen

Kalt war’s, bis dann das erste Werk erklang und die in Decken und Mäntel gehüllten Musikfreunde von innen heraus aufwärmte. Der Cellist Valentin Radutiu spielte mit seiner Interpretation von Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 3 in C-Dur, BWV 1009, gegen den Frost an. Mit Ernsthaftigkeit, Würde und Tiefe im Ausdruck ließ Radutiu sein Cello singen. Mit geschlossenen Augen spürte er Bachs Themen nach, inbrünstig und ehrlich – zeit- und weltvergessen. Die Finger auf den Saiten, seine Bogenhand, ja der ganze Körper agierte, scheinbar einem geheimen musikalischen Plan folgend.

Es stimmt: Ein Cello kann singen. Nicht jedes, freilich, aber dieses schon. Wie variationsreich die bloßen vier Saiten eines einzigen Instruments ausgeschöpft und derlei Klänge erzeugt werden können – so etwas erlebt man nicht alle Tage und setzt freilich eine virtuose Hochform des Solisten voraus.

Tomoko Akasaka stimmte im Anschluss mit der Sonata für Viola Solo von György Ligeti in diesen Tanz ein: Ein Meisterwerk der Moderne, in dem der ungarische Komponist von gesungenen Volksliedern – reich ornamentiert, nostalgisch und melancholisch inspiriert, eine für die Nachwelt herausragende Sonate schuf. Das Werk entstand in Etappen zwischen 1991 und 1994 und besteht aus einer Folge von sechs verschiedenen Charakterstücken. In Akasakas Interpretation entstand in gewisser Weise „Musiktheater“ mit nur einem Instrument – so tief stieg sie in die Themen und die ihnen zugrunde liegenden Emotionen ein: Wind, der ein trauriges Lied von gestern singt, dann kleine Höhen, Verwirbelungen, die Hoffnung bringen, um sich dann wieder in schrägen Disharmonien zu verlieren.

Weiter ging der Tanz im Duett mit den Bach’schen „Inventionen für zwei Violen“: Zu Tomoko Akasaka gesellte sich Razvan Popovici mit seiner Viola und in hoch sensiblem Zusammenspiel gelang den Virtuosen, was seinerzeit Bach sich zum Ziel setzte: Mittels der Unabhängigkeit der Stimmen, eine „kantable Spielweise“ zu erreichen. Ob sich Bach erkannt gefühlt hätte, von Interpreten, die sein Werk gemäß seiner Vorstellung wiedergaben? Das Konzertpublikum jedenfalls applaudierte kräftig.

Furioser
Pas de deux

Als letztes Werk bot das Violen-Traumpaar Akasaka und Popovici die „Ballade und Tanz für zwei Violen“ von György Ligeti. Das auf zwei rumänischen Volksliedern basierende Stück beginnt im ersten Teil langsam, melodiös getragen – balladenhaft. Im zweiten Teil wird dasselbe traurige Lied zum furiosen Pas de deux – zwei sich gegenseitig aufpeitschende Stimmen, scharf, temperamentvoll und voller Lebensfreude. Das sollte dem Winter auf die Sprünge helfen. Hoffentlich. Die Konzertbesucher fühlten sich jedenfalls mehr als vitalisiert und klatschten die drei virtuosen Interpreten immer wieder in den Altarraum der kleinen Kirche.

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