Traunstein – „Milk and Sugar? Nicht oder, sondern und – beides, also Milch und Zucker. Hell und süß wie britischer Tee sollte laut Motto das siebte Konzert des Chiemgauer Musikfrühlings werden.
Mit impressionistisch geprägten Werken vierer britischer Komponisten bekamen die Zuhörer im Kulturforum Klosterkirche den Beweis geliefert, dass Britisches nicht immer nüchtern und kühl, sondern auch enorm emotionsgeladen daherkommen kann. Die künstlerische Leiterin Diana Ketler drückte es so aus: Die englische Sprache ist ein schlecht gesprochenes Französisch und beließ es damit. Diese kurze Hinführung blitzte im Laufe des Musikgenusses immer wieder durch. Teatime – Milch und Zucker im Tee, einmal umrühren, Augen zu und genüsslich schlürfen.
Die Ingredienzen des eröffnenden Werks von Ralph Vaughan Williams (1872-1958) sind musikalische „Betrachtungen“ von sechs Volksliedern – „Six Studies in English Folk Songs“ für Violoncello und Klavier. Diana Ketler (Klavier) und Justus Grimm (Violoncello) hatten wenig Mühe, die Lauschenden mit zart-meditativen Klängen, die sie ihren Instrumenten entlockten, einzufangen. In kurzen liedhaften Stücken, die mit sich wiederholenden Melodien bildhafte Assoziationen wachriefen, erfreuten die Interpreten mit Titeln wie „Lovely on the water“ oder „The Lady and the Dragon“ ihre Zuhörer mit zartperlenden Klängen. Zumeist in langsamen Tempi wiegend, mischte sich in einzelnen Passagen der „Songs“ schon auch mal ein temperamentvoller Drache ins Hörerleben ein. Einschlafen konnte man also nicht. Eher schon fühlte man sich auf eine aussichts- und ereignisreiche Gedankenreise durch eine wildschöne britische Landschaft geschickt.
Keine alltägliche Instrumentierung mit Flöte, Viola und Harfe macht Arnold Bax (1883-1953) zum erfrischend klangschönen Hörabenteuer. Mit dem „Trio elegiaque“ wollte der Komponist die keltischen Wurzeln Britanniens musikalisch nachspüren und ist dabei im Widerspiel zwischen Traum und Realität, dem Traum gefolgt.
Der Traum der großen keltischen Vergangenheit hörte sich fantastisch an. In der Erzählstimme der drei vorzüglich miteinander harmonierenden Instrumente, erklangen – und das galt insbesondere für die Harfe – die Stimmen der Kelten. Die Viola (Razvan Popovici) führt als „Sänger“ eine elegische Melodie – emotionsreich und von ausgesprochener Klangschönheit, während Flöte (Maximilian Randlinger) und Harfe (Marie-Pierre Langlamet) immer wieder in dialogischen Austausch gingen.
Höhepunkt des Werks ist ein langsam zelebrierter „Gesang“ der Harfe, der über der wogenden Begleitung der anderen Instrumente zum Schwärmen brachte. Zwei Trio-Stücke für Flöte, Violoncello (Valentin Radutiu) und Harfe Op. 80 von Joseph Jongen (1873-1953) – die nächste Tasse englischen Tees mundete vorzüglich. Debussy und Ravel lassen grüßen, sein Einfluss, unüberhörbar. Während das erste Stück langsam-atmosphärisch, fast mystisch daherkommt, kontrastiert das zweite in schnellen, tänzerischen Rhythmen in völlig anderer Stimmung. Die drei Virtuosen schwebten gemeinsam – Augen- und Ohrenweide.
Der zweite Teil des Konzerts war mit dem Klavierquintett in d-Moll, H. 49 von Frank Bridge (1879-1941) ausgefüllt. Auf der Bühne agierten fünf Musiker und man wusste gar nicht, wohin man schauen soll, so sehr war ein gemeinsames Atmen, Wiegen und Harmonieren zu beobachten.
Wer zwischendrin die optischen Einflüsse ausschaltete, bekam Musik wie Puderzucker in die Gehörgänge: Diana Ketler (Klavier), Aylen Pritchin und Stefan Simonca-Oprita (Violinen), Justus Grimm (Violoncello) und Viola (Razvan Popovici) zelebrierten Bridges Werk mit Verve. Angefüllt mit spätromantischer Ästhetik und dramatischer Intensität dieses außergewöhnlichen Klavierquintetts, fiel am Ende der Abschied schwer. Nach frenetischem Beifall wird sich der ein oder andere vermutlich bei der nächsten Tasse Tee mit Milch und Zucker an die impressionistisch klanggemalte Musik erinnern.Kirsten Benekam