von Redaktion

Gelungene Opernpremiere im Marstallsaal: Der Verein „Erlesene Oper“ brachte „Der Rothmantel“ auf die Bühne – trotz anfänglicher Probleme.

Traunwalchen Ein Albtraum: Es ist Opernpremiere und der Hauptdarsteller ziemlich kurzfristig erkrankt. Eine Doppelbesetzung gibt es nicht. Monatelanges Proben – alles umsonst? Noch dazu ein Werk, das seit 1868 nicht mehr aufgeführt wurde: „Der Rothmantel“, eine heitere romantische Märchenoper in drei Akten von Georg Kremplsetzer (1826-1871) im Libretto von Paul Heyse.

Horrorszenario
gut bewältigt

Dieses Horrorszenario löste der Verein „erlesene Oper“, der mit Orchester, Opernchor und Gesangsensemble in liebevoll gestaltetem Bühnen- und Kostümbild (Myriam Forster, Irmtraud Pichler) im Marstallsaal des Schloss Pertenstein Premiere feierte, hoch professionell.

Der Einspringer, Tenor Markus Herzog, musste die Partie innerhalb weniger Tage einstudieren. Eine echte Herausforderung auch für das gesamte Ensemble. Mit den Noten in Händen bestand Herzog mit Bravour und rettete mit seinem mutigen Einsatz die Premiere: Das Publikum genoss einen vergnüglichen Opernabend mit unbekannter Musik und einem witzigen Opernplot. Der Clou des Vereins Erlesene Oper: unbekannte oder vergessene Opern und Singspiele wieder zum Leben erwecken und dabei junge Künstler aus der Region für die Region singen und spielen zu lassen.

Damit macht der Verein aus dem Rosenheimer Raum seit 2011 mit beeindruckenden Produktionen von sich reden. Das Aufführungsmaterial muss oft „detektivisch“ recherchiert und aus Handschriften „erlesen“ werden – daher der doppeldeutige Vereinsname, dessen Initiator Georg Hermansdorfer zugleich für musikalische Leitung und Regie verantwortlich zeichnet.

Die Märchenoper „Der Rothmantel“ entstand 1868 und wurde in München und Berlin mehrmals erfolgreich aufgeführt.

In der Neuauflage, ein paar Jährchen später, war auf der Marstallsaal-Bühne ordentlich was geboten.

In der Ouvertüre, mit der das Orchester spielfreudig und mit Verve einstieg, bekam das Publikum bereits eine spannungsgeladene Vorahnung dessen, was später szenisch umgesetzt wurde.

Der Rothmantel, ein gefürchteter Geist, treibt in einem Schloss sein Unwesen. Der muss weg. Nur wie? Und warum? Dem gegenüber eine etwas komplizierte Liebesgeschichte und ein eingebildeter angeblicher Doktor, der mit List und Tücke nach dem jungen Weib trachtet und somit dem Glück des Liebespaares im Weg steht.

Das Ganze spielt in einer kleinen Stadt am Rhein im 17. Jahrhundert. Im ersten Akt wird ausgelassen in der Dorfschenke gefeiert, drei Damen überschlagen sich im Austausch des neuesten Ratsch und Tratschs – wunderbar von Christina Gerstberger, Elisabeth Braun und Eva Gronbach gesungen und gespielt. Mittendrin, Faktotum Konrad (Hosenrolle: Kayo Hashimoto), der zur guten Stimmung Trinklieder schmettert, und der Wirth (Thomas Heim).

Angeblich läuten bald Hochzeitsglocken: Die schöne Meta (Christina Gerstberger mit in allen Lagen brillierendem Sopran) soll unter die Haube – am besten „Gewinn bringend“, findet ihre gestrenge Mutter (Mezzosopran Eva Gronbach). Indes tritt Dr. Melchior (Herausragend: Bariton Andreas Agler, auch als Rothmantel besetzt) hinzu, zieht als affektierter Gockel auf Immobiliensuche die volle Aufmerksamkeit auf sich.

Er will ein „Spukschloss“ kaufen und es vom Geist befreien lassen. Keine leichte Aufgabe, besingt Hausknecht Jörg (Bariton Simon Hermansdorfer) seine verstörende Begegnung mit dem rot bemantelten Geist. Die beachtliche Summe für „Geistaustreibung“ ist für den schwer in Meta verliebten (aber mittellosen) Franz (Tenor Markus Herzog) Motivation genug, sich als Ghostbuster zu versuchen – eine, wie sich im Verlauf der Oper herausstellt, haarige Angelegenheit. Franz wagt – und gewinnt!

Es werden, in tänzerischer Eleganz, Scheren geschwungen und Bärte rasiert (Sehra Sulcova, Salvina Scherer), und so böse ist der Rothmantel gar nicht, eher ein wenig verzweifelt.

Ob sich Franz und Meta am Ende kriegen, sei nicht verraten. Der Rothmantel jedenfalls spukt weiter und die hoch motivierte und bestens dirigierte Truppe von Chor, Solisten und Orchestermusikern der „erlesenen Oper“ mit ihm. Opernfreunden sei der Besuch weiterer Aufführungen am 4. und 5. Mai, die im Rahmen des Musiksommers zwischen Inn und Salzach im Ballhaus Rosenheim stattfinden, ans Herz gelegt. Im Schloss Pertenstein lugte wohl der schlosseigene Geist neidisch ums Eck, ließe sich fabulieren.

Orff kann er wohl. Aber ob er auch Kremplsetzer kann?

Verdienter
Extraapplaus

Einen verdienten Extraapplaus bekam, neben Georg Hermansdorfer für Regie und musikalische Leitung, Tenor Markus Herzog, der trotz kurzer Vorbereitungszeit stimmlich und darstellerisch eine echte Glanzleistung lieferte.

Geisterjagd auf Schloss Pertenstein

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