„Queen“ besiegt den Tag des Zorns

von Redaktion

Innphilharmonie Rosenheim widmet dem Tod ein Gesamtkunstwerk

Kiefersfelden – Kaum jemand würde sich trauen, auf das c-Moll-Requiem von Luigi Cherubini, das berühmteste Requiem im 19. Jahrhundert, Musik der Rockgruppe „Queen“ draufzusetzen. Andreas Penninger, der Leiter der Innphilharmonie Rosenheim, hat sich getraut – und es hat funktioniert. Nach dem „Dies irae“ mit Gerichtsposaunen und Tamtam, nach dem dreifachen Aufschrei im „Agnus Dei“ und dem langsam-düsteren Ende des Requiems rezitierte der Sprecher Franz Knarr von der Kanzel aus die deutsche Übersetzung und der Chor sang begeistert-ekstatisch und vom starken Schlagzeug angefeuert „The show must go on“ – „auch wenn mir das Herz bricht“, heißt es da.

Klangstarke
und prunkende

Bearbeitung

Vorher schon hatte der Chor klangstark und in prunkender Orchesterbearbeitung mit Queen gefragt: „Who Wants to live forever?“ Die Antwort von Queen: Das Heute ist die Ewigkeit – und besiegt damit den „dies irae“, den „Tag des Zorns“ beim Weltgericht am Jüngsten Tag. Das Herz brach nicht, sondern war entflammt.

„Requiem aternam“ war der Titel des Konzertes, das sowohl in der Rosenheimer Christkönigkirche als auch in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kiefersfelden gegeben wurde. Ein Requiem mitten im Frühling, wenn schon Grilldüfte durchs Kirchenschiff wehen? Wer will da schon an den Tod denken? Einerseits – andererseits heißt es „Media in vita in morte sumus“: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.

Andreas Penninger hatte dem Tode ein sorgfältig komponiertes Gesamtkunstwerk gewidmet aus alter und klassischer Musik, Rock- und Pop-Musik und Wort. Das Wort führte Franz Knarr mit dem Text der gesungenen Songs, mit dem berühmten Brief von Mozart, in dem der den Tod als „Schlüssel zur wahren Glückseligkeit“ bezeichnet, vor allem zwischen den Requiem-Teilen mit Texten aus der Apokalypse: eindringlich und drohend. Am liebevollsten klang er, als er „Heast as ned“ von Hubert von Goisern rezitierte, da war der dialektale Text einig mit seinem Herzen.

Dieser Song und „Pläne“ von Ina Müller waren weitere Popsongs, die der Chor sang – mit ungünstigerem Erfolg als bei „Queen“. Das Goisern-Lied büßte im aufgeplusterten Chorklang und mit Orchesterbegleitung viel von seiner zauberhaften Intimität ein, und beim Ina-Müller-Song merkte man dadurch dessen geringe melodische Substanz. Dass diese Crossover-Mischung den Sängern gefällt, merkte man an den zahlreichen neuen jungen Gesichtern im Sopran. Dass aber Pop-Gesang etwas anders ist als klassischer Gesang, ist vielleicht eine Gefahr für den letzteren: Die tonliche Präzision und die klassische Stimmbildung könnten dadurch gefährdet sein. Und wirklich: Beim Requiem sang der Chor, vor allem in den ausgesetzten Passagen, oft etwas zu tief, weil manchmal ungestützt singend.

Begonnen hatte das Konzert durchaus theatralisch: Mit dunkel donnernder Pauke zogen vier Trompeter von hinten nach vorne, mit dem langsamen Trauermarsch für die Königin Mary von Henry Purcell von 1695: Der Requiem-Ton war gewichtig gesetzt. Dann sang die Choralschola Sankt Nikolaus (Leitung: Christoph Ryser) den Requiem-Introitus und immer wieder zwischen den Konzertteilen weitere gregorianische Choräle, alles mit in der Kirche sich groß entfaltender Wirkung – wobei man bisweilen hörte, wie schwer Einstimmigkeit ist.

Doch das Hauptwerk des Konzerts war eben das Cherubini-Requiem, das Penninger sorgfältig in Szene setzte. Dominierend war immer der schön einheitlich singende Sopran, die Männerstimmen hatten schwierige unbegleitete Stellen. Ergreifend und fast magisch winden sich Celli und Fagott aus der Tiefe empor, relativ knapp ist das „Kyrie“. Vor allem im „Dies irae“ entfachte Penninger ein veritables orchestrales Höllenfeuer, die Geigen zitterten oder seufzten vorschriftsmäßig und die Posaunen dröhnten gewaltig durchs Kirchenrund, der Chor deklamierte markant, die Fuge bei „Quam olim Abrahae“ kam überzeugend und der Schluss gleitet schön dunkel ins vielleicht Erlösende, ins eindringlich leise C-Dur.

Einsame Schläge der
Röhrenglocken beenden Konzert

Einsame Schläge der Röhrenglocken, die im Orchester die Kirchenglocken symbolisieren, hatten das Konzert begonnen und beendeten es auch. Nach kurzem Atemholen entlud sich die Spannung der zahlreichen Zuhörer in langem und jubelndem Applaus.

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