Rosenheim – Der Tonkünstlerverband Südostbayern unter Alice Guinet veranstaltet heute Samstag, um 19 Uhr im Innmuseum Rosenheim ein ungewöhnliches Konzert mit dem Titel „Am Fluss“. In diesem Konzert erklingt die Kantate „Opfern – Zwei Szenen aus dem Leben der Schiffsmeister Laufens“ des Traunsteiner Komponisten Patrick Pföß. Er erzählt im Interview, worum es in dieser Kantate geht und wie sie sich anhört.
Herr Pföß, haben Sie Ihre Kantate auf Wunsch von Frau Guinet komponiert?
Nein, sie ist schon 2023 entstanden für die Chiemgauer Kulturtage in Traunstein.
Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
Als eindrucksvoll und emotional. Sie ist für eine Sängerin und acht Instrumente, nämlich Flöte, Bassklarinette, Violine, Kontrabass, Baritonhorn, Trompete, Harfe und Schlagwerk, geschrieben und hat zwei Sätze. Ich habe Wert darauf gelegt, dass Instrumente gebraucht werden, die auch in der bayerischen Volksmusik verwendet werden.
Die Kantate heißt „Opfern“: Worum geht es?
Im ersten Teil geht es um einen Brauch der Schiffleute, dass man den Ersten, der in einer Saison über Bord ging, nicht gerettet, sondern ertrinken lassen hat. Was man gerettet hat, war der Hut. Den hat man dann der Witwe überbracht. Meine Komposition spiegelt das ganze Geschehen aus der Sicht der Witwe, die jetzt diesen Hut überreicht bekommt.
Worum geht es im zweiten Teil?
Um einen noch gepflegten Fronleichnams-Brauch in Laufen und auch in Oberdorf, die beide an der Salzach liegen: er nennt sich „Himmelbrotschutzen“. Dabei wird eine Salzzille auf den Fluss gebracht, von dem aus mittels eines Tuches vier Buben einen Kranz mit Hostien ins Wasser werfen, um den Verstorbenen die himmlische Speise zuteilwerden zu lassen. In der Mitte des Flusses „schutzt“ der Schiffsmeister mit dem Ruder gegen das Tuch, so dass der Kranz ins Wasser gleitet.
Das ist doch sehr widersprüchlich.
Richtig – Auf der einen Seite lässt man den über Bord Gegangenen ertrinken, man ruft ihm sogar zu: „Lass los – der Herr will’s haben!“ Dann aber will man dem Ertrunkenen die himmlische Speise zuteilwerden lassen. Das ist, ehrlich gesagt, sehr makaber, fast schon zynisch.
Wie war die Zuhörer-Reaktion bei den ersten Aufführungen?
Die waren sehr beeindruckt und begeistert, wegen dieser sehr eindrücklichen Musiksprache und natürlich auch wegen dieser Thematik.
Wer hat den Text geschrieben?
Ich selbst. Die Form ist im ersten Teil ein japanischer Tanka und im zweiten Teil ein japanischer Haiku. Tanka ist eigentlich die Ursprungsform des Haikus. Der Haiku besteht ja aus fünf, sieben und fünf Silben, im Tanka ist die Silbenfolge 5-7-5-7-7. Ich wollte dem Text eine bestehende Form geben. Das Wesen des Haiku sind die starken Bilder und Anspielungen, ohne dass alles genau ausgesprochen wird. – Ich möchte auch noch einen Dank aussprechen an die Institutionen, die das Konzert ermöglichen: außer dem Tonkünstlerverband sind das die Landratsämter Traunstein und Rosenheim, die Stadt Rosenheim, der Bezirk Oberbayern, das Rosenheimer Wasserwirtschaftsamt.
RAINER W. JANKA