Rosenheim – Eigentlich haben sich die Rosenheimer erst mit der Landesgartenschau 2010 mit dem heimatlichen Fluss, dem Inn, ausgesöhnt und sich ihm willentlich zugekehrt: Davor war der Fluss eher der der Gefahren bringende Feind, auch wenn er gerne als Transportmittel benutzt wurde. Das Innmuseum zeugt davon mit vielen Exponaten und erzählten Geschichten.
Stimmiges
Gesamtkonzept
Wenn nun der Tonkünstlerverband Südostbayern ein Konzert veranstaltet mit dem Titel „Am Fluss“, passt das Innmuseum als Konzertort genau dazu. Ungewöhnlich war also das Konzertmotto, ungewöhnlich die Musikzusammenstellung mit Volksmusik, klassischer und moderner Musik, und ungewöhnlich der Ort: Alles aber war stimmig.
Der Reischenharter Viergsang hatte das erste und letzte Wort: Er erinnerte an den gefährlichen Beruf der Innschiffer, aber auch an deren Berufsstolz. Kernig sind die vier Mannsbilder samt ihrem Gitarristen und kernig, aber auch überraschend innig, ist ihr Gesang. „Nur einmal noch im Leben meine Heimat möchte ich wiedersehn“ bitten sie und verkünden gleichzeitig: „Schiffsleit san mir!“ Nur „a Sprung übers Wasserl“ braucht’s, um ans Fenster des geliebten Dirndls zu gelangen – aber welches der beiden Dirndln, die der Sänger gleichzeitig liebt? Und mit einem geradezu arios gesungenen Jodler beschlossen die Reischenharter das Konzert.
Bei Wasser denkt man musikalisch natürlich an die „Wassermusik“, die Händel für eine Spazierfahrt des englischen Königs George I. auf der Themse komponiert hat, dieser „Flaniermeile für betuchte Menschen“, wie der Moderator Walther Prokop formulierte, der mit klugen, wohlgesetzten und gewitzten Worten das Konzert begleitete. Der Traunsteiner Komponist Patrick Pföß hat Händels üppige Musik, die damals von 50 Musikern gespielt wurde, für das achtköpfige Ensemble arrangiert, das seine Kantate spielt. Diese Reduktion machte die Musik leichtbeschwingt, schwingender, weil durchsichtiger, ja – um beim Konzertmotto zu bleiben – sprudelnder. Geige, Flöte und Klarinette wechselten sich in der Melodieführung ab, die Harfe brachte viel Klangfülle, auch das Schlagwerk schaltete sich ein, nur für das Baritonhorn war’s manchmal etwas beschwerlich.
Hauptwerk des Konzerts war die Kantate von Patrick Pföß: „Opfern“ heißt sie, weil sie grausame Bräuche der Salzachschiffer thematisiert: Der erste, der über Bord ging, wurde nicht gerettet, sein Hut jedoch schon, der dann der Witwe überbracht wurde. An Fronleichnam wird heute noch ein Kranz mit Hostien ins Wasser gelassen für die verstorbenen Schiffleute. Mit expressiv-harten, schrillen, ja schreienden Tönen und vielfachen Tutti-Schlägen wie bei einem Trauermarsch beginnt deswegen die Kantate, im zweiten Teil malt sie die aufgewühlten Wellen des Flusses nach, mit außergewöhnlichen Arten der Tongestaltung, breiter Spreizung der Tonhöhen, auch mal mit lautem Schnalzen der Kontrabass-Saiten und reichem Schlagwerk. „Die Farbigkeit der Klänge macht auch das Grau(en) des Geschehens ästhetisch“, konstatierte Walther Prokop.
Archaisch-grausames
Geschehen
Nicoletta Göttlicher, gekleidet in ein gelbglitzerndes Nixenkleid, hatte vorab den andeutungs- und anspielungsreichen poetischen Text rezitiert, der formal in Tankas und Haikus gehalten ist, also in japanischen Versformen, die nicht Reime beinhalten, sondern Silben zählen. Christine Mittermair sang den Text, wohlartikuliert und damit sehr verständlich, dramatisch-feierlich rezitierend und dann arios ausschwingend, insgesamt mit sehr großem Engagement und innerlicher Beteiligung, die das archaisch-grausame Geschehen lebendig machte. Die Zuhörer im ausverkauften Innmuseum waren begeistert und spendeten ausgiebigem Applaus.