Amerang – Seit 2015 bildet die Oper mit eigenen Inszenierungen und Gesangsabenden einen Schwerpunkt im Programm der Schlosskonzerte Amerang. Als kleiner Vorgeschmack starten bereits am Sonntag, 2. Juni, die „Aperitif-Konzerte“ im Gartenpavillon. Die kurzweilig vom Veranstalter und Schlossherrn Ortholf Freiherr von Crailsheim im Wechsel mit dem Intendanten Ingo Kolonerics moderierten musikalischen Kostproben sollen den Appetit auf die bevorstehende Opern-Saison anregen, die mit „Rigoletto“ und „Nabucco“ gleich zweimal Verdi bereithält.
Den Anfang der 59. Schlosskonzerte macht am 2. Juli Pippo Pollina, der bereits vergangenen Sommer vor ausverkauftem Haus gespielt hat. Quadro Nuevo geben zwei Konzerte in Folge, ebenso wie Max Müller. Das Clemente Trio kehrt nach langer Abstinenz wieder nach Amerang zurück. Ihr Debüt im Schloss geben heuer Grimme-Preisträger August Zirner mit dem Spardosen Terzett, die Bananafishbones, Dreiviertelblut, die junge Volksmusikformation Maxjoseph, der Schauspieler Helmfried von Lüttichau mit seinem Solo „Plugged“ sowie die Boogie-Woogie-Legende Axel Zwingenberger.
Täuscht der Eindruck, oder verzeichnet das Programm der Schlosskonzerte heuer tatsächlich noch mehr große Namen?
Ich denke, das täuscht nicht. Wir haben uns sehr bemüht, wieder viele illustre Gäste bei uns zu haben. Unser guter Ruf als einer der schönsten Konzertspielorte mit einem großartigen, treuen Publikum hilft uns da sehr.
Nach welchen Kriterien richtet sich Ihre Programmgestaltung?
Eine Konzertreihe, die seit 59 Jahren für kulturelle Höhepunkte sorgt und das auch weiterhin tun will, unterliegt auch dem Wandel. Wir versuchen, unterschiedliche musikalische Epochen und Stile zu integrieren. Kernstück sind seit neun Jahren die Opernfestspiele mit zwei Premieren im Arkadenhof, in Zusammenarbeit mit dem Förder- und Kulturverein Schloss Amerang. Zudem sprechen wir mit einem breiten Spektrum von Genres wie Volksmusik, Jazz, Singer-Songwriter, A capella und Pop ein vielfältiges Publikum an.
Der Schauspieler und Bariton Max Müller ist zum Beispiel ein Garant für ein volles Haus. Was schätzen Sie an seiner Kunst?
Max ist ein großartiger Entertainer, der mit vollem Einsatz und großer Leidenschaft vergessene Lieder und Texte aus Wien und Österreich präsentiert. Das, was er in unserem intimen Schlosshof zum Besten gibt, zeigt, welche künstlerische Kraft in ihm steckt. Er ist unserem Haus seit mehreren Dreharbeiten der „Rosenheim Cops“ auf Schloss Amerang auch als Freund sehr verbunden. So hat er spontan zugesagt, ein Zusatzkonzert zu geben, nachdem der erste Termin schnell ausverkauft war.
Welche, würden Sie sagen, war die gewagteste Entscheidung im diesjährigen Programm?
Musikalisches Neuland für Amerang sind sicherlich die Gastspiele von Malva, Mulo Francel & Nicole Heartseeker, den Bananafishbones und Dreiviertelblut. Sie sind vor allem im Münchner Raum etabliert und bekannt für großartige Performances. Unsere größte Herausforderung in diesem Sommer ist die Opern-Elektro-Soirée, bei der ich mit musikalischen Freunden, wie dem Saxofonisten und Theremin-Spieler Reinhart Knirsch und der Sopranistin Mariana Pedrozo, den traditionellen Kosmos der Oper mit den sphärischen Klängen elektronischer Musik fusionieren möchte. Beide Genres nutzen komplexe Schichtungen und Texturen, um emotionale Tiefen und Nuancen zu erzeugen. Wir kennen das ja auch aus der Filmmusik. Der dramatische Operngesang kann mithilfe elektronischer Musik neue Klangwelten schaffen, was mit einem Orchester so nicht möglich ist. Ich liebe beide Musikrichtungen und glaube, dass sie wunderbar harmonieren. Ob uns das so gelingt, wird das Publikum entscheiden müssen.
Wie stark ist die Auswahl der Künstler von Ihren persönlichen Vorlieben geprägt?
Nun, zuallererst müssen die Künstler, die bei uns auftreten, uns und unser Publikum emotional bewegen. Denn das ist ja der Grund, warum man ein Konzert besucht. Wenn unsere Gäste nach Hause gehen, dann möchte ich, dass jeder ein gutes Gefühl beim Verlassen des Innenhofes hat. Hier spielt die Programmatik, also welche Musikart bzw. Kategorie, für mich keine Rolle. Das Konzert soll überzeugen und gegebenenfalls neue Horizonte öffnen.
Welche Idee steckt hinter den „Aperitif-Konzerten“ im Gartenpavillon?
Es war ein Projekt meiner Frau, den neuen Pavillon im Sommer zu bespielen. Und zwar in einer anderen Weise, wie wir es auf Schloss Amerang bisher gemacht haben. Sie liebt es, Konzerte im Freien und in einer familiären Atmosphäre zu genießen. Diese kurzweiligen Nachmittagskonzerte im Park sollen eine Hommage an Italien, seine lauen Sommerabende und an die italienische Oper sein.
Warum brennen Sie so für die italienische Oper?
Es sind die meisterhaft komponierten Melodien und die leidenschaftlichen Charaktere, die uns in eine Welt voller großer Gefühle, aber auch menschlicher Abgründe entführen. Ich kann das nicht wirklich beschreiben, wenn diese Dinge im Arkadenhof, der von unseren italienischen Vorfahren, den Scaligern gebaut wurde, lebendig werden. Das ist einfach nur magisch und berührt alle, auch die, die zuvor noch kein Interesse für die Oper gehabt haben.
„Nabucco“ oder „Rigoletto“ – welche Oper bevorzugen Sie?
Mich begeistert besonders die kraftvolle Dramatik von „Nabucco“, deren monumentaler Chor „Va, pensiero“ eine kollektive Gänsehaut erzeugt. „Rigoletto“ hingegen fasziniert mich mit der tiefgründigen Handlung, der herzzerreißenden Tragik und den einfach nur großartigen Arien, wie sie nur Verdi komponieren konnte. Diese Opern in so unmittelbarer Nähe, wie unsere Inszenierung sie zulässt, zu erleben, ist schon sehr besonders.
Was gibt es sonst noch Neues auf Schloss Amerang?
Wir halten an Bewährtem fest, was unsere Stammgäste freuen wird – es sei denn, es wird noch schöner (lacht). Nein, im Ernst, wir werden gemeinsam mit Peppi Kalteis ein neues gastronomisches Angebot in unserer frisch restaurierten „Alten Remise“ anbieten. Und wir freuen uns ganz besonders über die komplett renovierte Brücke und unseren neu gestalten Eingangsbereich. Seit 2018 arbeitete meine Frau daran und es ist wunderbar geworden.
Die vergangenen Jahre seit 2020 waren für Konzertveranstalter nicht eben ein Honigschlecken. Ist das Corona-Tief jetzt überwunden?
Das waren sie wirklich nicht. Diese Krise hat bis heute ihre Spuren hinterlassen und wir werden noch einige Zeit brauchen, bis die Narben in der Kulturszene verheilt sind. Die Folgen sind einschneidend. Viele haben aufgegeben und fehlen. So deutet sich in der Branche eine Marktkonzentration an, die gerade für kleine Veranstalter und Künstler schlechte Ausgangslagen schafft. Die aktuelle wirtschaftliche Lage macht es ebenfalls nicht leichter. Trotzdem spüren wir in diesem Jahr wieder verstärkten Zulauf. Wir freuen uns auf eine großartige Konzertsaison, denn unser Publikum hat wieder richtig Lust auf Musik! Interview: Angela Pillatzki