Prutting – Eine Vernissage, bei der Künstler ihre mit der Motorsäge erstellten Kunstwerke vorstellen und zu der dann über 100 Besucher kommen? So etwas wäre selbst in München ein Erfolg, in Rosenheim schon nicht mehr unbedingt zu erwarten. Der Ort des Geschehens war aber Prutting, das Dorf, das mit seinen gut 2900 Einwohnern immer wieder beweist, dass es für Überraschungen gut ist.
Und weil Prutting Prutting ist und in diesem Jahr seinen 1100. Geburtstag feiert, macht man aus wirklich jedem Event ein kleines Geburtstagsfest. So waren auch die vier Holzkünstler sowie eine Malerin, die aus ganz Deutschland zusammengekommen sind, nicht nur an diesem einen Vernissage-Freitagabend zu erleben, sondern über das ganze Wochenende hinweg.
Zeit genug für die Besucher, darüber zu staunen, welch unterschiedlichen Werke mit einer Motorsäge zu verwirklichen sind und auch, wie filigran man damit arbeiten kann: Anhand der Zartheit vieler Details bei den Ausstellungsstücken hätte man nie und nimmer eine Kettensäge als Künstlerhandwerkszeug vermutet, wenn man ihnen nicht am Samstag bei der Arbeit über die Schulter hätte blicken können.
Und natürlich fragt man sich, wie man als Künstler zu diesem Material und vor allem zu dem Bearbeitungsmittel der Motorsäge kommt. Das, was die vier eint ist, dass sie alle schon vorher einen Bezug zu Holz und zum Arbeiten mit ihm hatten. Sei es, weil Bernadette Stöttner wie Paul Fottner und Oskar Imhof aus einem landwirtschaftlichen Betrieb kommen, sei es, dass sie wie der Rechtsanwalt Andreas Gerhard einen großen Obstgarten ihr Eigen nennen. Motorsägen sind also für alle von vornherein kein eher schreckerregendes Ungetüm gewesen, ihren gemeinsamen Bildungsweg beschrieb Andreas Gerhard scherzhaft vielmehr so: Brennholz machen, erste Möbelversuche, schließlich Künstlerseminar bei Richard Allgaier in Bad Waldsee.
Ähnlich sind auch die Anlässe, die sie zu ihrem Kunstschaffen motivieren. Paul Fottner spricht für seine Künstlerkollegen, wenn er sagt „Man stößt immer wieder auf ein besonderes Stück Holz, das einen irgendwie anrührt und gewissermaßen nach Verarbeitung verlangt. Das heißt nicht, dass man immer sofort weiß, was im Holz steckt. Das kann dauern bis auf einmal Holz und eine Gestaltungsidee zusammenfinden.“
Für Katharina Schießl die Malerin, deren Gemälde in ihrer Farbenpracht die Holzskulpturen ganz wunderbar ergänzen, verfolgt meist einen anderen Zugangsweg, den aber auch die Holzbildhauer durchaus kennen: Es geht darum, einer Emotion nachzuspüren und diesem geistigen Zustand, der nicht selten flüchtig und unbestimmt wie ein Schmetterlingsflug ist, zu einem kraftvollen Ausdruck zu verhelfen. „Malen“, so sagt Katharina Schießl, „ist sicher nicht so körperlich herausfordernd wie der Umgang mit einer Kettensäge, aber die mentale Kraftanstrengung ist hier wie dort dieselbe: Einem Gefühl, einer Vorstellung eine feste Form zu geben ist nicht zuletzt ein Vorgang, der einem mit sich selbst konfrontiert und das fordert“.
Der Künstlerfreundeskreis, der in Prutting bislang schon zwei Workshops und in diesem Jahr die Ausstellung veranstaltet hat, wird nach deren großem Erfolg sicher auch im nächsten Jahr zumindest einen Skulpturensägekurs anbieten. Schließlich ist Bernadette Stöttner – diejenige aus dem Künstlerkreis, die die gesamte Veranstaltung organisierte – selbst Pruttingerin. Die Malerin Katharina Schießl darf sich als Pruttinger Bäckerstochter sogar als Pruttinger Urgewächs bezeichnen.
Und Peter Rinser, der Eigentümer des „Westermoa-Hofs“, will seine Werkstatt, die er für diese Ausstellung freiräumte und herrichtete auch zukünftig als Ort für Kunstwirken und Kunsterleben anbieten.
Johannes Thomae