Rosenheim – Die Rosenheimer Kunstmühle ist ein von Wasser umgebener Ort, idyllisch gelegen nahe der Mangfall. Es gibt dort hohe Schilfgürtel, oft sieht man Schwäne auf ruhiger Wasserfläche. Die Seite zur Klepperstraße hin ist durch ein Wehr geprägt, der Werkkanal der Mangfall treibt eine Turbine an, das Gebäude wird als Wasserkraftwerk genutzt. Im dritten Stock des Hauses befinden sich die Ausstellungsräume des Kunstvereins – und für die aktuelle Ausstellung „I follow rivers“ ließ sich Künstlerin Claudia Barcheri vom Medium Wasser und von der Umgebung der Kunstmühle inspirieren.
Strukturen
entstehen zufällig
Die gebürtige Südtirolerin aus Bruneck studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München sowie in Bologna. Sie befasst sich in ihren Werken mit Mensch und Umwelt. Mit der Verwendung einfacher, natürlicher Materialien schlägt sie eine Brücke und experimentiert mit bewusst geschaffenen und zufällig entstehenden Formen und Strukturen.
Für „I follow rivers“ arbeitete sie – frei nach dem Song von Lykke Li – 14 Tage in den Räumen der Kunstmühle und schuf direkt vor Ort viele der ausgestellten Werke. Beim Aufbau half Leonie Felle mit, die selbst vor Kurzem im „Foyer 33“ ausgestellt hatte. Im Text von Lykke Li kommt die Vielgestaltigkeit von Wasser zum Ausdruck, in sämtlichen Erscheinungsformen vom Fluss zum Meer, vom Fließen des Baches bis zur Tiefe des Ozeans. Nach der Begrüßung durch Dr. Olena Balun als Vorsitzende des Kunstvereins sprach die Kunsthistorikerin Linnea Streit in ihrer Einführung von „Wasser als Metapher“. Wasser könne ansteigen und es sei unberechenbar. Das Material finde seine eigene Form, so Streit.
Manche Zeichnungen erinnern an Flüsse oder tief eingeschnittene Canyons. Technisch arbeitet Barcheri mit Monotypien, also mit nur ein Mal abgenommenen Drucken. Wie man beim Rundgang feststellt, haben diese eine ganz eigene Faszination. Bei der Herstellung sucht sich Tusche ihren eigenen Weg, die Künstlerin lässt den Materialien ihren eigenen Fluss. Durch das Absetzen der Farbe auf speziellem Papier aus Steinmehl entstehen durch die Vielfalt der Pigmente spezielle fantasievolle Muster. Bei einem Großformat mit dunklem Hintergrund und strahlenden Pigmentflecken denkt man unweigerlich an einen Blick ins Weltall, es könnten aber auch Leuchtelemente in der Tiefsee sein.
Sehr speziell sind Barcheris Objekte der Serie „Lamina“, die kostbar wirken, jedoch aus preiswertem Gips entstehen. Wie feine, filigrane Flügel ragen sie aus den Wänden des Ausstellungsraumes, man muss sich vorsichtig im Raum bewegen, um die filigranen Gebilde nicht zu touchieren. Auch wegen deren Zerbrechlichkeit arbeitete Barcheri direkt vor Ort, denn die „Lamina“ sind nicht transportfähig.
Der helle Raum des Kunstvereins ist geschickt mehrdimensional genutzt. Konventionell gehängte Bilder, dazu in den Raum hineinragende „Lamina“-Flügel, am Boden kommt noch eine besondere Plastik hinzu. Bei einem Durchmesser von 130 Zentimetern wirkt ein Bodenrelief aus Gips wie eine flachere Form der Welt, auf der Oberfläche zeichnen sich Kontinente ab mit riffeligen Mustern, es gibt Berge und Buchten, Flüsse, Gipfel und Gebirge. Und darumrum der Ozean.