Rosenheim – Bevor der Süddeutsche Ärzte-Chor und das Süddeutsche Ärzte-Orchester in der Christkönigkirche mit der f-Moll-Messe von Anton Bruckner begannen, dieser komplexesten, äußerlich großartigsten und innerlich gehaltvollsten, aber auch wohl schwierigsten der drei Bruckner-Messen, wollte Marius Popp, Gründer und langjähriger Leiter dieser Ärzte-Musiker, noch etwas loswerden: Alle bis auf die Solisten und den Dirigenten seien Laien, sagte er, es seien Ärzte und Menschen aus arztnahen Berufen, die sich eine Woche lang treffen und üben und dann das jeweilige Werk aufführen: Eine Woche für eine Messe, an der Bruckner ein Jahr lang gearbeitet und dann jahrelang verbessert hat.
Dass da nicht alles perfekt sein kann, ist verständlich. So war die Intonation des Chores immer wieder gefährdet, waren die Geigen oft nicht homogen und zehrend-süß genug, waren vor allem die mystisch schimmernden, ja flirrenden Passagen eine Spur zu erdennah. So zum Beispiel beim – sehr kurzen – Sanctus, das wie auf Zehenspitzen, wie entrückt, wie glaubensschauernd, in reinem F-Dur beginnt, bzw. beginnen sollte: Popp bat oft flehentlich fast auf Knien die Musiker um ein Piano oder Pianissimo – rauskam meist ein Mezzoforte. So war auch im Credo das flüsternde Pianissimo vor dem Auferstehungsjubel („et resurrexit“) kein wahres erschauerndes Pianissimo. Und der Chor hätte mit deutlicherer Artikulation verständlicher machen können, dass der oftmalige akkordische Credo-Ruf glaubensunerschütterlich den Schluss des Credo gliedert.
Der Chor konnte, obwohl der Tenor ziemlich unterbesetzt war, streckenweise wirklich gut mit der Orchesterwucht mithalten und wandelte einigermaßen sicher durch das vielfältige Harmonie-Gestrüpp: geht es doch von f-Moll bis Ces-Dur mit sieben vermindernden Vorzeichen. Und auch die monumentalen Fugen mit den Riesen-Intervallsprüngen gelangen.
Popp hatte auf die obligate Pauke verzichtet und auch auf die mögliche Orgel. Aber auch so gelangen himmelstürmende Steigerungen, geradezu aufpeitschende (so im Gloria) oder gar heulende (beim Weltgericht im Credo) Orchesterpassagen. Und der frei strömende Orchestergesang im wohligen As-Dur beim Beginn des Benedictus war vor allem bei den Celli und Bratschen schön schwelgerisch – wenn auch wieder eine Spur zu laut.
Marius Popp leitete alles souverän mit wohlgeformten und anfeuernden Bewegungen, machte die Struktur hörbar, so auch, dass im Agnus Dei wieder das Kyrie-Motiv auftauchte, nämlich die vier demütig absteigenden Noten.
Auch den Solisten gab er fast alle Einsätze. Die haben es auch schwer, fordert diese Orchesterbesetzung doch fast Opernstimmkraft von ihnen. Der Sopran von Andrea Wurzer hob sich hörbar heraus, Christine Mittermair überzeugte in den höheren, Thomas Hamberger in allen Passagen mit noblem Bass-Balsam. Der Tenor Reiner Geissdörfer glänzte in der „Et-incarnatus“-Arie kraftvoll, ja heldisch, und damit wenig innig.
Die musikliebenden Laien haben sich an ein großes Werk gewagt: Sie haben dabei bestimmt für sich gewonnen, gewonnen hatten sie auch die Gunst des nicht sehr zahlreichen Publikums, das mit starkem Applaus noch eine Zugabe erhielt: die Wiederholung des Agnus Dei, das ja mit dem Wunsch nach Frieden schließt und selig-ruhig, fast beiläufig in friedlichem F-Dur endet.
RAINER W. JANKA