Grassau – Kammermusik vom Feinsten bot das Trio um Tomoko Nishikawa (Klavier), David Schultheiß (Violine) und Franz Lichtenstern (Violoncello) in der Villa Sawallisch.
Zwei Werke von Claude Debussy umrahmten das Pohádka (Märchen) von Leoš Janácek im ersten Teil. Das Klaviertrio in G-Dur, von Debussy als 18-Jähriger komponiert, ist klassisch-viersätzig, und doch so voll von Klangfarbenreichtum, dass er weit über das gewohnte klassische Melodien- und Harmonienspektrum hinausragt. Packend getupft, energisch die pizzicato-Stellen, nuancenreich geführte Bögen, dazu die einfühlsame Klavierbegleitung, das Trio bot wahrlich Kammermusik vom Feinsten. Violoncello und Klavier spannen den Erzählfaden mit der böhmisch-tschechischen Musik Janáceks weiter.
Cellist Lichtenstern hatte vorab das Märchen – der Zar hofft seit Jahren auf Nachwuchs und geht in seiner Verzweiflung einen verhängnisvollen Deal mit einem Bösewicht ein, sein späterer Sohn ist von Geburt an verflucht – erzählt, sodass sich imaginäre Bilder vor dem inneren Auge des Zuhörers abspielten. Auch wenn dem finalen Feentanz wenig Atherisches anhaftete, zog die kantable Klangwelt in den Bann.
Rauschend-klangvoll das Klavier im ersten Satz, mit Cello als einfühlsamem Dialogpartner – was für ein Auftakt. Virtuos und ausdrucksstark setzte sich der Erzählreigen fort: Von lyrisch-zart bis expressiv aufbrausend und leidenschaftlich war alles an Farbigkeit dabei.
Einen nicht minder technisch hohen Anspruch stellt Debussys Sonate für Violine und Klavier in g-Moll dar, die Debussy mitten im Ersten Weltkrieg komponierte. Was für eine Fülle an Stimmungen, die mal harmonisch miteinander, mal kontrastreich gegeneinander gesetzt erklingen! Was für ein nostalgisch-zarter und dann wieder tänzerisch-heiterer Dialog, den Violine und Klavier hier einfühlsam führten und der mit dem dezidiert dargebotenen „Finale, très animé“ endete!
Im zweiten Teil des Abends erklang „Verklärte Nacht,“ op 4. von Arnold Schönberg . Das Gedicht von Richard Dehmel mit dem schillernden Flair des Fin de siècle hat Schönberg tonal verdichtet. Das Trio setzte hellwach all die dynamischen Ansprüche und filigranen Nuancen um. Das war spätromantischer Pathos, ohne schwülstig zu wirken, das war Expressivität voller Transparenz und Spannung, da zeigte sich die dunkle Nacht, später funkelten die Sterne und man vernahm ein Wiegenlied.
Gefühlt ewig brauchte man nach dem Schlussakkord, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen, ehe langanhaltender Applaus aufbrandete und eine Zugabe forderte. Doch kann man diese wunderbar expressive Kammermusik noch toppen? Dass das möglich ist, bewies das Trio mit einer Tristan und Isolde Kurz-Fassung von Alfred Pringsheim, dem Schwiegervater Thomas Manns. Virtuos, schillernd, kontrastreich, und doch wie aus einem Guss rollte das Trio hier noch einmal den spätromantischen Melos-Teppich aus.
Die knappen einführenden Worte von Cellist Lichtenstern zu den Werken waren nicht nur ein musikwissenschaftlich-interessanter Exkurs, sondern Einladung, über den Tellerrand – normalerweise gefüllt mit bekannten Kammermusik-Köstlichkeiten, um im Bild zu bleiben – hinauszublicken und Werke von Debussy, Janácek und Schönberg zu genießen. Lebendig interpretierte Kammermusik vom Feinsten.Elisabeth Kirchner