Plädoyer für Vielfalt und Kunstfreiheit

von Redaktion

Jubiläumsausstellung des Kunstvereins Rosenheim beeindruckt durch enorme Bandbreite

Rosenheim – „Dieser Ort kann Ihre Gefühle verletzen“ – so begrüßte das Plakat von Maximilian Erbacher aus Brühl am Eingang der Stadtgalerie Rosenheim bereits die Vielzahl der Gäste. 120 Jahre Rosenheimer Kunstverein sind es inzwischen, daher ist die jetzige „Kunst aktuell“ auch gleichzeitig die Jubiläumsausstellung zu einem Wirken des Vereins durch die Zeitläufte. Die „Acten des Stadtmagistrates Rosenheim“, abgedruckt im Katalog, legen Zeugnis ab über die Überlassung des Rathaussaals für „periodische Ausstellungen“, denn eigene Räume hatte der Verein im Jahr 1904 noch nicht.

Eine Plattform
für Künstler

Oberbürgermeister Andreas März würdigte in seiner Begrüßungsrede die besondere Rolle des Vereins, der das kulturelle Leben über einen langen Zeitraum stark geprägt habe und als Plattform für Künstlerinnen und Künstler fungiere. Insbesondere die „Kunst aktuell“ gehöre zu den großen Sammelausstellungen in Bayern, so März. Dr. Olena Balun, Vorsitzende des Kunstvereins, bedankte sich ihrerseits für die Unterstützung seitens der Stadt und holte angesichts der Europawahl zu einem flammenden Plädoyer für Demokratie und Kunstfreiheit aus.

In der Tat spiegeln sich in der Jubiläumsausstellung Kunstfreiheit und Vielfalt wider. Die Jury des Kunstvereins, bestehend aus Martl Fritzsche, Jakob Gilg, Regina Marmaglio, Philipp Stähle und Hannes Stellner, wählte aus 210 Bewerbern 80 letztlich Ausstellende aus.

Bandbreite von Künstlern und Werken

Mehrere „Einheimische“ gehören dazu, einen gewissen Schwerpunkt bilden Kunstschaffende aus Oberbayern, der Radius erstreckt sich jedoch bis Berlin und Wien, außerdem sind verschiedenste Nationalitäten und Werdegänge vertreten. Die Gäste erwartet eine Bandbreite von kuriosen Plastiken bis zu gemäldeähnlicher Fotografie und fotorealistischer Malerei.

Gleich im Eingangsraum sind mehrere skurril anmutende Werke vertreten, so ein Motorradhelm mit Handknochen (Guido Weggenmann), ein „Wünsch-dir-was“-Blasebalg (Rosa Maria Krinner) und als „Eye-Catcher“ eine textile Kuppel nach mongolischem Muster. Doro Seror wird ihre Arbeit daran live am Mittwoch, 3. Juli fortsetzen. Beim Rundgang wird man hin- und hergeworfen. Es gibt reizvolle Miniaturplastiken zu sehen, aber auch gewaltige Gebilde wie den an Darth Vader erinnernden „Fox“ der chilenisch-stämmigen Constanza Camila Kramer Garfias, ein teils textiles Werk aus Jacquardgewebe und Metallösen.

„Kunst ist nie unpolitisch“, konstatierte Dr. Balun eingangs: In den Räumen finden sich beste Beispiele wie die Adlerplastik „Imperium“ von Tanja Fender, die sich aus einem Meer von Soldatenleichen erhebt.

Naturmotive sind oft vertreten, sowohl gemalt als auch stark fotografiert, wie das Querformat eines Pflanzen-Strunks (Catrin Wechler). Abstrakte Malerei wie „fossil“ von Esther Zellmer ergänzt sich mit figürlichen Darstellungen wie der „Sauna Tuesday“ von David Ilzhöfer. Farbe und Schwarz-Weiß, Flächen und Formen, Florales und Figuren, all dies macht die Vielfalt der „Kunst aktuell“ aus. Oder kaum wahrnehmbare, feine Strukturen wie „konvex – konkav“ der Preisträgerin Christine Ott.

Veränderte
Winkel

Ein besonderes Werk hat der Rosenheimer Gerhard Prokop beigesteuert: Sein „Betriebswagenwerk 6“ sieht auf den ersten Blick wie eine Fotografie aus, ist aber ein großformatiges Ölgemälde in hyperrealistischer Technik, nämlich mit rechnerisch veränderten Winkeln. Eines kann man nach diesem Hin- und Hergeworfenwerden vermelden: Diese Ausstellung ist das genaue Gegenteil von langweilig, sie ist eine Herausforderung für die eigene ästhetische Wahrnehmung und regt zu einem zweiten Rundgang an.

Bis 21. Juli

Artikel 4 von 6