Amerang – Eine literarisch-musikalische Reise durch über zwei Jahrtausende christliche Heiligenverehrung bot der Abend „Schräge Heilige“ mit Bodo Hell und Erwin Rehling im Ameranger Bauernhausmuseum.
Bodo Hell ist studierter Organist, Philosoph, Germanist und Historiker. Seit vielen Jahren hat sich der gebürtige Salzburger auf das Schreiben verlegt. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. 2023 erhielt der Prosaautor und Lyriker den Österreichischen Kunstpreis für Literatur und aktuell den Literaturpreis des Landes Steiermark. Hell lebt in Wien. Jeden Sommer aber versorgt der 81-Jährige als Senner 140 Ziegen auf einer Alm im Dachsteingebirge.
Erwin Rehling ist bekannt durch Musik- und Theaterprojekte und seine Klangbücher. Seine Kurzgeschichten begleitet der Perkussionist mit Tonmalereien. Die Arrangements erinnern an die Improvisationsmusik der avantgardistischen Fluxusbewegung und ihren musikalischen Protagonisten und Komponisten John Cage. Neben Schlagzeug, Marimba und Glockenspiel spielt Rehling auch seltene, exotische Instrumente wie ein Naturstein-Lithophon oder die Bala, ein westafrikanisches Xylophon mit Kalebassen als Resonanzverstärker.
Das literarisch-musikalische Duo verbindet eine lange Bühnenfreundschaft. Ihr aktuelles Programm ist den Heiligen und Nothelfern gewidmet. Bodo Hell erwies sich in Amerang einmal mehr als brillanter Autor und Erzähler, ausgestattet mit einer allumfassenden Expertise zu Volksglauben und Heiligenverehrung. Erwin Rehling wiederum überzeugte als kongenialer Dialogpartner, der stets die richtigen Klangvariationen parat hatte.
„Bitte etwas Trunkenheitsmusik“ war der Wunsch von Bodo Hell, als der heilige Otmar von St. Gallen und sein Wirken zu Lebzeiten an der Reihe war. Otmar kümmerte sich um Arme und Kranke, baute ein Leprosenhaus. Sein Heiligen-Attribut ist ein Weinfass, das nie leer wurde.
Über die heilige Kunigunde gibt es viele Legenden, sogar bis ins 20. Jahrhundert. Sie soll Bamberg im Zweiten Weltkrieg von größerer Zerstörung bewahrt haben. Die jungfräulich-fromme Kaiserin habe einen Nebelschleier über die Stadt gelegt und so Bamberg für die alliierten Bomberstaffeln quasi unsichtbar gemacht. Jedes Jahr am Kunigundentag wird dort ihre Figur mit einem Rosenstrauß geehrt. Auch in der Rotter Klosterkirche kann man Kunigunde treffen. Die dortige Skulptur stammt von Ignaz Günther, dem wohl berühmtesten Vertreter des bayerischen Rokoko.
Höchste Verehrung im Volksglauben wird auch der heiligen Anna, Mutter Marias und damit Oma von Jesus Christus zu Teil, und das, obwohl sie in der Heiligen Schrift mit keinem Wort erwähnt wird, so Hell. Man findet sie aber in den Apokryphen. Sankt Anna ist Schutzpatronin von Neapel. Die Liste der auf sie vertrauenden Zünfte ist lang. Sie soll helfen bei Fieber, Schmerzen und sogar vor Aussatz, Pest, Geisteskrankheit und bei Gewitter schützen. Resl von Konnersreuth, die stigmatisierte und selbst in der katholischen Kirche umstrittene Oberpfälzer Mystikerin, will in mentaler Verbindung zur heiligen Anna gestanden sein.
Mit umfangreichen Expertenwissen auch Laien zu begeistern, ist eine hohe Kunst. Bodo Hell beherrscht sie perfekt. Erwin Rehling wiederum erwies sich als exzellenter Perkussionist und Improvisateur, der auch ohne Partitur die Heiligengeschichten zum Klingen brachte. Kurzum, es war ein Genuss, dem brillanten Duo zuzuhören.Wolfgang Janeczka