Quälendes Buhlen um Anerkennung und Liebe

von Redaktion

Wasserburger Theatertage Einpersonenstück „Dienstags bei Kaufland“ thematisiert Geschlechtswandel

Wasserburg – Ein grauhaariger Mann im grauen Bademantel steht vor einem dreiteiligen Spiegel. Dann dreht er sich um – er hat hochhackige Schuhe an, schwarze Netzstrümpfe und schwarze Dessous, dazu zieht er sich ein Kleid an und setzt sich schließlich eine Damenperücke auf: Aus Robert wird Roberta: „Ich hab‘ das beschlossen – das ist es!“ Robert fühlt sich als Roberta, hat beschlossen, eine Frau zu sein. Sein/ihr Vater aber, den er/sie jeden Dienstag betreut, akzeptiert das nicht.

Das Einpersonenstück von Emmanuel Darley mit dem deutschen Titel „Dienstags bei Kaufland“ am zweiten Tag der Wasserburger Theatertage thematisiert diesen selbst gewünschten Geschlechtswandel und die damit einhergehenden Probleme in der Gesellschaft, speziell in der Familie.

Jeden Dienstag besucht Roberta ihren alten Vater, putzt, wäscht, bügelt, räumt auf und spült Geschirr, vor allem geht sie jeden Tag mit ihrem Vater einkaufen zu Kaufland: ein Spießrutenlauf für sie, vor allem aber für ihren Vater, der sich für sie geniert, sich immer wieder deutlich von ihr distanziert, weil sie für ihn immer sein Sohn Robert bleibt. Andreas Neumann ist Robert/ Roberta, erzählt, klagt und klagt an, richtet seine/ihre Klagen an den stummen Diener mit des Vaters Anzug. Auf den Boden malt er mit Kreide den Grundriss der väterlichen Wohnung und im Gesicht malen sich die vielfältigen Empfindungen von Robert/Roberta ab. In haargenauer, intensiver und bald quälender ja zermürbender Genauigkeit und Eindringlichkeit schildert Neumann dieses Schicksal eines Sohnes, der alles für seinen Vater tut und damit um dessen Akzeptanz, Anerkennung seiner Geschlechtlichkeit und damit Persönlichkeit, ja um nichts weniger als um Liebe buhlt. Genau ist Neumanns Artikulation, immer wieder nachsinnend mit Sprechpausen ist sein Redefluss – der aber doch zwischendurch flüssiger, leidenschaftlich bewegter sein könnte. Geschickt spielt er mit den wenigen Requisiten auf der kulissenlosen Bühne (Regie: Torsten Krohn, Bühne: Greulix Schrank), immer wieder zeigt er frontal sein Leidensgesicht.

Bitter ist der Schluss: Robert wird als Roberta ermordet – ein melodramatischer Knalleffekt, der das Stück etwas ins Seifenoperige rutschen lässt: Die alltägliche Realität ist halt doch auslaugender, frustrierender, mühseliger – aber nicht so theatralisch. Der lang anhaltende Beifall war anteilnehmend toleranzfreundlich und durchaus herzlich. Im Theater klappt die Solidarität mit denjenigen, die die Gesellschaft immer noch verachtet. RAINER W. JANKA

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