Wasserburg – Dass Affären oft Tücken haben können, dürfte hinlänglich bekannt sein. Richtig problematisch allerdings wird es, wenn außereheliche Beziehungen nach zehn Ehejahren wieder aufgewärmt werden, so wie in der bittersüßen Komödie „Bitte nicht stören“ des US-Amerikaners Michael Weller am Theater Wasserburg.
Lindy und Adam hatten vor zehn Jahren eine kurze, aber intensive Affäre. Besonders Adam, auch er ist mittlerweile verheiratet, hat die Beziehung zu Lindy nie vergessen können. Auf einer Geschäftsreise scheint die Gelegenheit günstig.
Einem Wiedersehen nicht abgeneigt
Er nimmt zu Lindy Kontakt auf. Auch sie ist einem Wiedersehen mit Adam ebenfalls nicht abgeneigt. Lindy findet einen Vorwand, um ihren Mann und die beiden Söhne übers Wochenende allein zu lassen. Beide treffen sich in einem Hotelzimmer. Der Champagner ist kaltgestellt – und die Erwartungen sind groß. Doch so einfach ist es nicht, zumal unter das damalige Verhältnis nie wirklich ein Schlussstrich gezogen wurde. Obwohl hunderte Meilen voneinander entfernt, waren die Gedanken an eine „vergeudete Liebe“ und verpasste Chancen stets präsent: Was wäre gewesen, wenn man damals alle Konventionen hinter sich gelassen hätte? Nach und nach werden immer mehr Erinnerungen präsent an eine gemeinsame Zukunft, die nie stattgefunden hat. Das von Adam erhoffte erotische Abenteuer muss vorerst warten. Noch wird Lindys Verhalten von Vernunft beherrscht: Doch es brodelt an der Oberfläche und alle Rationalität bricht wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Erdacht wurde „Bitte nicht stören“ vom New Yorker Michael Weller, Jahrgang 1942. Bekannt wurde der Dramatiker durch seine von Miloš Forman verfilmten Drehbücher zu „Hair“ und „Ragtime“. Regie in diesem emotionsgeladenen Kammerspiel führte Heinz Konrad. Von ihm stammt auch das Bühnenbild, ein Hotelzimmer mit Bett, das von Conny Krause als Lindy und Heiko Dietz als Adam mit viel Mut und mit darstellerischer Perfektion bespielt wurde. Denn das Publikum war mitten drin in diesem Schauspiel unterdrückter Leidenschaften, die im Lauf der Handlung kontinuierlich an Fahrt aufnahmen. Erst war sich Lindy eher unsicher, ob sie die Affäre wieder neu beleben sollte, allerdings nicht ohne mit Adam intensiv zu kokettieren: „Denk an Schuld und Sühne“, lautete ihr Credo. Doch schließlich warf sie all ihre Treue-Prinzipien über Bord. Sie wollte nicht länger „Riesentrostpreis einer Riesennull mit Stammbaum“ (ihr Mann) sein und gab Adams Verlangen schließlich nach. Jetzt war Adam wiederum der Überforderte, hegte er doch keinerlei Ambitionen, Frau und Sohn wirklich zu verlassen. Dann aber entschied er sich tatsächlich dafür, mit Lindy durchzubrennen. Jetzt war es wieder Lindy, bei der Zweifel aufkamen.
Conny Krause und Heiko Dietz boten ein überaus unterhaltsames Zwei-Personen-Stück mit viel Sprachwitz und immer wieder melancholischen Passagen zum Nachdenken und zur Reflexion. Für anhaltende Spannung sorgte der kontinuierlich wiederkehrende Perspektivenwechsel zwischen Vernunft und Impulsivität.
Von Ambivalenz konfrontiert
Diese Ambivalenz konfrontiert auch Menschen in Beziehungen im realen Leben immer neu; und deshalb sind sie so gut nachvollziehbar. Gerne hätte man noch mehr gehört, ob und wie es mit Lindy und Adam in ihrer Beziehung wohl weitergeht?