Bewegender Appell für das Leben beeindruckt Publikum

von Redaktion

18. Wasserburger Theatertage Einpersonenstück des Metropoltheaters München reflektiert Depressionen und Freitod

Wasserburg – Das Münchner Metropoltheaters zeigte mit „All das Schöne“ ein todernstes und zugleich humorvolles Stück zum Thema Depression und Suizid. Die immersiv angelegte Inszenierung bot tolle Unterhaltung mit Publikumsbeteiligung auf allerhöchstem Niveau: spritzig, feinsinnig und unglaublich lustig.

Der Brite Duncan Macmillan, Jahrgang 1980, hat einen überaus unterhaltsamen Monolog über affektive Störungen und das oft damit verbundene Selbstmordrisiko geschrieben. Entstanden ist ein außergewöhnliches Theaterstück, das sich diesem Phänomen mit Sorgfalt und Empathie nähert und es zu einem bewegenden Appell für das Leben werden lässt. Philipp ist gerade sieben Jahre alt, als seine Mutter zum ersten Mal versucht, sich umzubringen. Um ihr zu helfen schreibt er durchnummerierte Zettel mit schönen Dingen auf, für die es sich aus seiner kindlichen Sicht zu leben lohnt: 1. Eiscreme, 2. Wasserschlachten, 3. Länger aufbleiben als sonst und Fernsehschauen und so weiter und so fort. Philipp hofft, dass die Mutter seine Zettel auch wirklich liest und ihre Depressionen damit aufhören. Die Rechtschreibfehler sind zumindest schon mal korrigiert. Aber Leben geht weiter, neue depressive Episoden und Suizidversuche kommen hinzu. Philipp wird älter und schreibt weiter „All das Schöne“ auf.

Mehr und mehr werden die Aufzeichnungen für seine Mutter zu seinem eigenen Projekt, das sein Leben fortwährend begleiten wird. Er studiert, verliebt sich und heiratet einen Studienkollegen.

Es folgen tiefe Lebenskrisen. Er trennt sich von seinem Partner und die Mutter stirbt durch Suizid. Dennoch gibt es am Ende des Stücks eine Million durchnummerierte Gründe mit Ereignissen, meist wunderbar und gelegentlich auch schmerzhaft, für die sich es lohnt, weiterzuleben.

Philipp Moschitz war unbestritten der Entertainer des Abends. Der Schauspieler und Sänger spielte mitten im Publikum. Metropolintendant Jochen Schölch hatte in seiner szenischen Einrichtung die Zuschauer nicht nur wie gewohnt auf den Rängen platziert. Viele hatte mitten auf der Bühne an Bistro-Tischen Platz genommen und wurden so Teil der Aufführung und des Bühnenbildes.

Immersive Inszenierungen bergen das Risiko, dass man als Theatergast recht schnell zu den Mitspielenden gehört. Das war auch in diesem, einfach nur grandiosen Spiel der Fall, zumal Philipp Moschitz die Zuschauerrollen mit außergewöhnlichen Gespür verteilte: „Können Sie vielleicht meinen Vater spielen?“ Die Rollen des Vaters, seines Partners und die seiner Therapeutin wurden ebenso spontan wie perfekt besetzt und auch gespielt. Man hätte fast glauben können, alles sei abgesprochen gewesen, was aber natürlich nicht der Fall war. Beinahe jeder im Publikum war irgendwie gefordert.

Wen Moschitz nicht für eine Rollenfigur auserkoren hatte, der trug zumindest Schlagwörter oder auch ganze Textpassagen von „All das Schöne – was das Leben ausmacht“, vor. Auch musikalisch zog die Inszenierung alle Unterhaltungsregister. Philipp Moschitz spielte Klavier und beindruckte mit einer tollen Stimme. Es wurde gesungen und getanzt.

Wo es stimmungsmäßig besser passte, kam die Musik wie Curtis Mayfields Motown-Klassiker „Move On Up“ oder Pink Floyds „Wish You Were Here“ auch schon mal vom Band.

Wer das Theater liebt, kann froh sein, dass Philipp Moschitz seinen Lebensunterhalt bislang als Schauspieler, Sänger und Regisseur verdient. Denn auch als Motivationstrainer hätte er vermutlich beste Chancen, um in der ersten Liga mitzuspielen. Wolfgang Janeczka

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