Sie und er fetzen sich lustvoll

von Redaktion

18. Theatertage Wasserburg Sensemble Augsburg mit Sommerkomödie nach Tschechow

Wasserburg – Anton Tschechow (1860-1904) auf dem Spielplan ist nichts Besonderes. Es geht meist um tragische Liebe, gesellschaftlichen Niedergang und die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen. Dass Tschechow aber auch durchaus humorvoll sein kann, und es somit etwas Besonderes ist, Tschechow zu inszenieren, bewies das Augsburger Sensemble bei den Wasserburgen Theatertagen.

Man nehme Tschechows Einakter „Der Heiratsantrag“ und „Der Bär,“ zwei begnadete Schauspieler – Daniela Nering und Florian Fisch – sowie ein paar wenige Accessoires für ein Schrebergarten-Ambiente, rühre um und fertig ist ein spritziger Sommerkomödien-Cocktail.

Suche nach einem glücklichen Leben

Da ist die Witwe Natalja Stepanowna, die in ihrem Garten einsam nach dem Tod ihres Mannes sitzt und auf den Kontakt zu ihrem Nachbarn Iwan Wassiljewitsch Lomow hofft. Beide auf der Suche nach einem glücklichen Leben und nach der großen Liebe, aber sich selbst dabei im Weg stehend.

Er, krank im Herzen und an der Hüfte, hochverschuldet, der nicht weiß, wie er seiner Nachbarin seine Gefühle vermitteln soll. Sie, die vorgibt, unabhängig und reich zu sein, gibt sich streitlustig und wartet doch sehnsüchtig auf seinen Antrag. So ein Kleingartenidyll kann dann schnell zum kleinen Schlachtfeld werden: „Mein Garten… Nein, meiner,“ es dreht sich um Besitz, um Geld, ums Recht, um Prinzipien und natürlich um Gefühle. Großartig, wie die beiden dabei immer lauter werden und er ihr schließlich auf Knien mit Rosen in der Hand den Antrag beinahe ins Gesicht schreit: „Ich liebe Sie doch. Ich trage Ihnen meine Hand an. Wollen Sie: Ja oder Nein?“ Und wie lange es dauert, bis sie sich seine Worte realisiert. Man möchte die beiden Streitenden schütteln, das Gute, die Liebe ist doch so nah. Und doch, kaum dass sie ihre Häuschen zusammengeschoben und den Zaun – mit Taubengitter bewehrt – beiseite geräumt haben, fangen sie wieder an zu streiten. Welcher Hund ist der bessere Jagdhund? Ihrer oder seiner? Witzig, wenn sich beide gegenseitig vormachen, wessen Hund den größeren Fang hat. Vor lauter Streit bekommt er tatsächlich Herzprobleme, sie kniet nieder, nimmt seinen Antrag an. Und schon geht es wieder los, welcher Hund der bessere Jagdhund ist. „Schlechter, besser, schlechter, besser.“

Nein, nein, nein. Dann doch lieber „Familienglück – und Champagner!“ Es ist ein schnelles, temperamentvolles Spiel, das die beiden Schauspieler an den Tag legen – Daniela Nering und Florian Fisch leben ihre Rollen mit Haut und Haar.

Dazwischen darf auch mal gelacht werden, etwa wenn er mithilfe einer wackligen Leiter versucht, auf ihr Grundstück zu gelangen oder über Gartengeräte stolpert. Makaber wird es, wenn der Streit ausartet und sie mit einer Gartenhacke wiederkehrt. Russischer Technopop, der anfangs positive Vibes versprüht und später nur noch die Erregung steigert und die Spannung anheizt.

Kleingartenidyll
mit Grasteppich

Ein Kleingartenidyll, symbolisiert mit Wetterhäuschen, Liegestühlen und Grasteppich, das zum Schauplatz eines Rosenkriegs wird. Prinzipientreu oder kompromissbereit, reich an Geld oder reich vor Glück. „Familienglück“ von Tschechow hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. „Sensemble Theater gGMbH“, 1996 von Sebastian Seidel und Freunden gegründet und das sich als Augsburgs Bühne für zeitgenössisches Theater bezeichnet, bietet mit Familienglück großartiges Theater: leidenschaftlich und lustvoll.

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