Marie – ein Märchen als Musical

von Redaktion

Elfriede Ringsgwandl entdeckt Berlin für ihre Bühne im Riederinger Theaterzelt

Riedering – „Warum ausgerechnet Berlin?“, mögen sich die Ringsgwandl-Theater-Fans gefragt haben, „hören wir dann etwa nur noch Preußisch?“ Doch schon in der Pause, wenn sie aus dem Zelt wieder ans Licht und ins Freie treten, sichtlich beschwingt und manche fast tänzelnd, sind solche Fragen vergessen, untergegangen im Rausch der eben gehörten Musik und dem wilden Tanz der Zwanziger-Jahre rund um den Kurfürstendamm.

Mitreißender
Charleston

Zu sehen gab es mitreißenden Charleston, kurze glitzernde Roben und sogar einen Stepptänzer mit Hut und Stock und weißem Anzug – aber nicht etwa auf dem klassischen Schotter der Riederinger Theater-Bühne, sondern auf einem frisch verlegten Berliner Asphalt konnte sich etwas austoben, was bisher so nicht zu sehen und zu hören war im Palastzelt von Elfriede Ringsgwandl. Kürzlich hatte ihr neues Stück „Marie“ Premiere. Als der Vorhang fiel, gab es lauten Jubel, begeisterte Pfiffe und viele Minuten lang stehenden Applaus.

Neben der üblichen Anerkennung klang da etwas mit, was man nur als Ausgelassenheit bezeichnen kann. Eigentlich fehlten nur die Rufe nach der „Zugabe“, doch für die wird das Publikum selbst sorgen müssen, indem es „Marie“ die nächsten Jahre immer wieder besucht. Frei nach dem Motto der Ringsgwandl-Truppe: „Wir spielen, bis keiner mehr kommt!“ Gekommen waren am ausverkauften Premierenabend auch viele prominente Fans, von Landtagspräsidentin Ilse Aigner über den Landrat Otto Lederer bis zur Gemeindevertretung, von der Flötzinger-Chefin Marisa Steegmüller, dem Theaterverein aus Niederndorf bis zu den zahllosen Freunden, Verwandten und all den umsichtigen Menschen, die rechtzeitig reserviert hatten.

Reserviert im Vertrauen darauf, dass ihnen in Riedering wieder mal etwas Überraschendes geboten wird. Darum skizzieren wir jetzt kurz die Geschichte des neuen Stücks: Das Berliner Waisenkind Marie findet als Ausreißerin Zuflucht in der Dachkammer von Johann und Beppo, ihr Tanz auf dem Seil bringt den beiden Straßenmusikanten den großen Erfolg. Der Ku-Damm ist begeistert und der steinreiche John Henry Valentino Abalone (Warenhauskönig? Hotelbesitzer? Egal!) hält seine schützende Hand über Marie. Als sie später sein Vermögen erbt, ist es vorbei mit der Freiheit, die vornehme Welt hat sie in ihren Krallen. Doch auch im Reichtum bleibt Marie, was sie ist, findet zurück in ihre glückliche Welt bei Johann und Beppo unterm Dach und alles ist gut. Ein Märchen aus dem Schatzkästlein von Elfriede Ringsgwandls Weltsicht, wie sie ihrem Publikum vertraut und lieb ist.

Bleibt die Frage: Warum Berlin? Das ist rasch erklärt: Elfriedes älteste Tochter Maria Imania lebt seit Jahren als Künstlerin in Berlin, sie malt, produziert Videos, schreibt Songs und als vor gut zwei Jahren ein Berliner Enkelkind kam, entdeckt Oma Elfriede den Reiz der Millionen-Metropole, vor allem die Musik aus dem Berlin der Zwanziger Jahre und den Schwung der Revuen aus dieser Zeit.

Und so ist sie entstanden, diese mitreißende Mischung aus Märchen und Musical. Der kecke Untertitel „Stummfilm mit Ton“ ist eine Anspielung auf das Jahr 1925, in dem die Handlung von „Marie“ beginnt und bereits die ersten Tonfilme gezeigt wurden. Mehr Historie wird nicht bemüht, auch wenn die reich gewordene Marie im Jahr 1950 – so die Projektion auf dem Vorhang nach der Pause – ihren Weg ins wahre Glück zurückfindet.

Damit sind wir auch schon bei den Stars des Märchen-Musicals: der Huber Wast brilliert als der elegante reiche Mister John Aba, wie ihn sein Mündel Marie nennt, Sabine Huber gibt seine Gegenspielerin als die zwiederne „Madame“, Sepp Staber und Hans Ittlinger, die Straßenmusikanten Beppo und Johann, sind mit ihren Slapstick-Einlagen die Publikums-Lieblinge, der steppende und singende Manfred Stecher bricht als Bel Ami sehr gekonnt „die Herzen der stolzesten Frauen“, als Waisenkind berühren die siebenjährige Maria Brückner im Wechsel mit der sechs Jahre alten Madeleine Ittlinger und in der erwachsenen Titelrolle ist Maria Imania einfach nur eine Augenweide und ein Stimmwunder.

Dazu dann noch die passenden Lieder, komponiert und getextet von Elfriede Ringsgwandl und Tochter Maria, richtige Ohrwürmer sind darunter und eines liefert quasi das Motto für das gesamte Theaterstück mit dem Refrain: „Ich habe kein Geld auf dieser Welt, und tu trotzdem was mir gefällt!“ Das kommt beim Publikum so richtig gut an, vor allem durch Erwin Ringsgwandls grandiose Profi-Tontechnik.

Diese Mischung aus Background-Piano, klassischen Gassenhauern vom Band und Life-Gesang muss man erstmal hinbekommen.

Für das Bühnenbild ist er auch verantwortlich, für die Berliner Gründerzeit-Fassaden ebenso wie für das skurrile Dachkammerl von Beppo und Johann einschließlich ihrer – Achtung! versteckter Höhepunkt! – sehr lebendigen Katze.

Nach bester Berliner
Revue-Tradition

Was die Zuschauer auch künftig begeistern wird, ist die Tanztruppe, die nicht etwa nur auftritt, sondern urplötzlich aus der gerade aktuellen Kulisse springt und einen Charleston nach bester Berliner Revue-Tradition auf den Asphalt knallt. Der ist hoffentlich strapazierfähig, denn wie wir gerade erfahren, plant Elfriede Ringsgwandl bereits eine „Marie, Teil zwei“.

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