Wasserburg – Die Theaterstücke bei den Wasserburger Theatertagen gleichen Überraschungseiern: Nie weiß man, was drin ist. Das Stück „Mutationen“ der belarussischen Autorin Olga Prusak, mit dem DASVINZENZ aus München gastierte, war statt einer Überraschung eher eine Enttäuschung. Es scheint, als habe die Autorin, eine studierte Kulturwissenschaftlerin, all ihr kulturhistorisches und philosophisches Wissen ausgeschüttet und daraus ein Zwei-, eigentlich Dreipersonenstück gebastelt. Ein bisschen Dystopie, ein bisschen Absurdes Theater, ein bisschen Zivilisationskritik, das Auftauchen der KI und viele gängigen Schlagworte verquirlt sie da: „Schmerz, Zerfall, Unterdrückung, Glück, Leben“, stammelt die weibliche Person.
Die Zuschauer sitzen um das Geschehen herum. In der Mitte pendelt ein Hochhaus im Miniformat von der Decke, mal aus den Fenstern strahlend, mal nicht. Es steht – dem Text nach – verlassen in einer Aschenwüste, die nach dem letzten „Krieg um den letzten Tropfen fossiler Energie“ entstanden ist. In dieses Haus flüchten zwei Menschen in Überlebenskleidung, ein Mann und eine Frau (Thomas Huber und Zhanna Kalantay). In welcher Beziehung sie zueinander stehen, wird nicht klar. Sie flüchten vor den „Schwarzen Funken“, vor der schwarzen Elektrizität, vor einer schwingenden schwarzen Kugel, die mit ohrenbetäubender Musik immer näher kommt: Endzeit allenthalben. Beide sprechen nun über ihre Ängste, ihre Verlassenheit und wie sie sich dazu verhalten sollen. Die Frau will leben, ohne viel nachdenken zu wollen, sie beschwert sich über eine „quälende Freiheit“, sie will aber auch einen Sinn im Leben. Der Mann ist ein illusionsloser Nihilist: Die letzten Menschen sprechen über die letzten Dinge, dies aber in einem papierenen Philosophieproseminar-Deutsch, das nie glaubhaft ist.
Das Haus spricht, immer wieder, wort- und metaphernverliebt, oft schlagwortartig tiefsinnig tuend. Ruth Geiersberger ist diese Stimme, genau artikulierend und durchaus musikalisch modulierend. Ob die Menschen diese Stimme hören, wird nicht klar.
Die Regie (gleich fünffach: Paulina Platzer, Eos Schopohl, Robert Spitz, Fabi Weiler) hatte nun die schwere Aufgabe, diese sprachliche Verquastheit in theatralische Aktion umzusetzen. Dabei setzen sie auf überdeutlichen Ausdruck: Was der Mann sagt, zeigt er auch nachdrücklich. Philosophische Sätze muss er bedeutsam aus sich herausquetschen. Dem Überdruck der Philosophie begegnet die Regie mit Überdruck des körperlichen Ausdrucks – was alles nur noch lebendigkeitsferner macht.
Das hängende Mini-Hochhaus ist hübsch (Bühne: Xaver Unterholzner), aber nicht bedrohlich. Das Ende ist so verwirrend wie die Plastikbänder, die die beiden Endzeitmenschen aus ihren Manteltaschen ziehen und mit denen sie sich in ein wirres Geflecht verwickeln. Am Ende lösen sie sich anscheinend in die gefürchtete schwarze Elektrizität auf: End-Mutation. rainer w. janka