„Atmen Sie den Duft des Todes!“

von Redaktion

18. WASSERBURGER THEATERTAGE Megaplot aus Nürnberg zeigt „zu Sterben“

Wasserburg – Für ihr Theaterstück „zu Sterben“ musste das Theater Megaplot aus Nürnberg viel Vorarbeit leisten: Immerhin mussten die Zuschauer fünfmal umziehen, es mussten also fünfmal die Stühle und auch das entsprechende Bühnenbild bereitstehen.

Wobei der „Begriff „Theaterstück“ hier sehr weit auszulegen ist. Es handelt sich nicht um ein zeitlich ablaufendes Drama, sondern um eine Mischung aus Lesung, Vorlesung, Zitatensammlung, Statistik und die makabre Parodie einer Fernsehshow.

Theatralische Versuchsanordnungen

Seit zehn Jahren macht das Megaplot (das sind im Wesentlichen Martin Fürbinger und Claudia Schulz) Performances und „theatralische Versuchsanordnungen“ (so der Programmzettel), die gesellschaftliche Themen aufarbeiten. Und – so kann man vielleicht ganz allgemein definieren – Theater ist, was auf dem Theater passiert.

Das gesellschaftliche Thema war diesmal der Tod beziehungsweise das Sterben. Die Reise begann im Foyer, wo die Zuschauer aufschreiben durften, welche fünf Punkte sie vor dem Tode noch erledigen wollten. Diese Zettel wurden eingesammelt und am Ende – wieder im Foyer – teilweise verlesen, was doch einige Überraschungen hervorbrachte. Reisen waren da gewünscht, aber auch der Wunsch, allen zu verzeihen. Martin Fürbinger amtierte hier als Moderator, der Statistiken vorlas, illusionslos berichtete, wie sich der Körper bis zum Tod verändert, und der auch den Begriff „Mikromort“ erklärte, eine Maßeinheit für das Todesrisiko.

„Atmen Sie den Duft des Todes!“ war die Aufforderung, sich in den Theaternebenraum zu begeben. Dort berichtete aus dem Off eine Altenpflegerin schonungslos vom Schicksal der Sterbenden in einem Pflegeheim, auch in der Corona-Zeit: „Unsere Station ist die Endstation.“ Ihr Thema war auch die heimliche Triage, die Frage, wer – bei der großen Anzahl der Kranken und der geringen Anzahl der Pflegerinnen – ein Atemgerät bekommt.

„Triage! Triage“ hieß der mit reißerisch-süßer Musik unterlegte Jingle zu einer makabren Fernsehshow, zu der man in den Theaterraum umzog. Ein „Glücks“-Rad zeigte die Todesmöglichkeiten für vier Kandidaten auf. Fürbinger als Moderator im schwarzen Glitzerhemd drehte, und die Nadel blieb bei „Tsunami“ stehen. Das Publikum durfte per Mehrheit entscheiden, welcher der Kandidaten (als sprechende Puppen anwesend, die sich kurz mit Beruf, Hobbys und Vorerkrankungen vorstellten) leben durfte – die übrigen drei mussten sterben.

Wieder ein Umzug im Theaterraum hin zu dem Beispiel eines Todkranken, der einen Sterbehilfeverein bemüht, um sterben zu dürfen, aber von den bürokratischen, durchaus gesetzestreuen Bestimmungen daran gehindert wird. Der gelungene Selbstmord war das Thema des erneuten Umzugs auf die Zuschauertribüne.

Richtig und
glücklich leben

Nach der Verkündung einer diesbezüglichen Statistik las Fürbinger Abschiedsbriefe vor – die geglückten, drastischen, philosophischen und schließlich lebensfreudigen Formulierungen ließen den Schluss zu, dass sie vom Theater Megaplot selber entworfen waren. Einige waren nichts weniger als Hinweise und Ratschläge, wie man richtig und glücklich lebt.

Martin Fürbinger und Claudia Schulz ist es gelungen, ein todernstes Thema so zu theatralisieren, dass man gebannt zuhörte, nachdenklich wurde und angerührt war. Das ist wahrlich viel.

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