Rosenheim – Ärzte heilen. Musik hat auch heilende Wirkung, seelisch, nicht körperlich. Um kriegsverletzte Kinder heilen zu können, beispielsweise in der Orthopädischen Kinderklinik in Aschau, spielen Ärzte als Orchester in einem Benefizkonzert.
Das Deutsche Ärzteorchester wurde 1989 gegründet, hat um die 160 Mitglieder und spielt auf hohem musikalischem Niveau mit durchaus anspruchsvollen Programmen in vielen renommierten Konzertsälen, jetzt auch im Rosenheimer Kuko. Die Anfangs-Posaunenakkorde in der Ouvertüre zu Mozarts „Zauberflöte“ stehen im Fortissimo: Hier klangen sie unter dem Dirigat von Alexander Mottok, seit 2003 Chefdirigent des Ärzteorchesters, wie Triumph-Fanfaren, nicht wie erhabene Einführungen in ein Mysterium. Emsig und hurtig mit scharfen Akzenten folgte das Fugato, in dem sich die Holzbläser mit warmem Klang, viel Spiellaune und rhythmischer Präzision auszeichneten. Alles endete in festlicher Freude.
Mit den ersten Tönen des Cello-Konzertes von Edward Elgar gewann Peter Bruns sofort die Gunst des Publikums: Breit und volltönend und „nobilmente“, wie es in Elgars Spielanleitung heißt, war sein Spiel, weitflutend, mit schmelzender Hingabe und tonschön bis in die höchsten Lagen, wo Cellisten gerne zu quietschen beginnen. Das Dauer-Elegische in diesem Konzert spielte Bruns groß aus, scheute vor Sentiment nicht zurück, verfiel aber nie in Sentimentalität. Die großen Melodiebögen waren immer voller rhythmischer Energie, die Pizzikati, die manchmal wie Klavierspiel klangen, waren sorgfältig und wohlgeformt. Die rasanten Passagen waren so rasant und trotzdem luftig, dass das Publikum dafür spontanen Zwischenapplaus spendete. Als Zugabe spendete, ja schenkte, Bruns den Zuhörern die Sarabande aus Bachs dritter Cello-Suite: mit großer rhetorischer Grandezza und lyrischer Beseeltheit zugleich, vor allem mit erlesener Spielkultur.
Das Orchester spielt in diesem Konzert eigentlich nur die zweite Geige, die Bratschenbegleitung gleich zu Anfang war etwas inhomogen, insgesamt bemühte sich das Orchester, es dem Solisten an Klangschönheit gleichzutun. Die „Reformationssinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy war dann für die Musiker die Gelegenheit, zu zeigen, was sie wirklich können. Geradezu angriffslustig-schneidend war das (nicht immer treffsichere) Blech, ätherisch ließen die Geigen das sogenannte „Dresdner Amen“ in den Himmel steigen, das später Wagner für seinen „Parsifal“ als Gralsmotiv gestohlen hat.
Alexander Mottok sorgte für hinlänglichen symphonischen Schwung mit gelungenen großen Steigerungen. Ausgesprochen waldwebend-heiter war das G-Dur-Trio im zweiten Satz, gut getroffen war der nachdenkliche, religiös-elegische Tonfall des dritten Satzes und schwebend-zart stimmte die Flöte im Finale den Luther-Choral „Ein feste Burg“ an.
Die relativ wenigen Zuhörer, die immer wieder zwischen den Sätzen applaudierten, holten mit langem Schlussapplaus noch eine kurze neckische Zugabe: „Idas Sommerlied“ aus dem Film „Michel bringt die Welt in Ordnung“ aus dem Jahre 1973. Musik kann zwar nicht die Welt in Ordnung bringen, sie kann aber zur Ordnung in Schönheit beitragen. RAINER W. JANKA