Kolbermoor – Franziska Riccabona stammt aus Dresden, amtiert aber in Linz als evangelische Kirchenmusikerin und Diözesankantorin. Zum Orgelmittwoch in der Kirche Wiederkunft Christi hatte sie ein ausgefeiltes und zeitlich punktgenaues Programm mitgebracht mit dem Choral „Schmücke dich, o liebe Seele“ im Mittelpunkt, der auf dem Programmzettel auch abgedruckt war. So konnte man verfolgen, wie vielfältig und reichhaltig dieser Choral von verschiedenen Komponisten bearbeitet worden ist.
Bei Johannes Brahms klingt er wie in Romantik getauchte Bach-Musik, bei Gottfried August Homilius (1714 bis 1785) recht ver- und umspielt, bei Gustav Adolf Merkel (1827 bis 1885) reichlich geschmückt fließend. Immer hob die Organistin durch den ruhigen Melodiefluss, die betonte Phrasierung und klug gewählte Registrierung die Choralmelodie hervor.
Dazwischen streute Franziska Riccabona zwei vergnügliche Stücke aus „Capricci“ von Kurt Estermann (geboren 1960) aus Innsbruck: „toccare“ ist eine flattrig-kapriziöse pedalfreie Tastenspielerei, „cucu“ spielt mit Kuckucksrufen über chromatischen Tonskalen. Die Organistin – und damit auch die recht zahlreichen Zuhörer – hatte hörbar Freude an diesen Verspieltheiten.
Eingerahmt wurden die Seele und der Kuckuck durch gewichtige Orgelstücke. Fast sturzbachartig schäumend begann Riccabona das Präludium a-Moll BWV 543 von Johann Sebastian Bach und ließ das Pedal sowohl beim langen Orgelpunkt als auch beim Themeneinsatz recht dröhnen. Die Fuge strahlte in unerbittlicher Fugen-Logik. Das abschließende Präludium d-Moll op. 37/3 von Felix Mendelssohn Bartholdy verknüpft vollgriffige Akkorde mit aufflatternden rezitativischen Passagen und mutiert dann zu einem polyphonen Geflecht, dessen Bewegung durch stetige Verkleinerung der Notenwerte gesteigert wird, was Franziska Riccabona eindrucksvoll klar präsentierte. Für den langanhaltenden Beifall bedankte sie sich mit dem doch schwungvollen „Grave“ aus Mendelssohns zweiter Orgelsonate. RAINER W. JANKA