Der Mensch im Getriebe verborgener Weltkräfte

von Redaktion

Die Ausstellung „Kunst im Amt“ in Traunstein zeigte Werke von zwei Preisträgern des Traunsteiner Kunstvereins

Traunstein – Zwei außergewöhnliche wie vielseitige Kunstschaffende präsentiert das Landratsamt Traunstein in seiner aktuellen Auflage der Reihe „Kunst im Amt“. Bis 29. November sind auf drei Stockwerken Arbeiten von Willee WTH Regensburger aus Grabenstätt und Inge Kurtz aus Tittmoning zu sehen. Beide sind im vergangenen Jahr im Rahmen der jurierten offenen Jahresausstellung des Kunstvereins Traunstein mit dem Roter-Reiter-Preis ausgezeichnet worden. Dieser fördert Kunstäußerungen, „die inhaltlich und ästhetisch Zeitbezüge aufweisen, neue Sehgewohnheiten hervorrufen und/oder experimentellen Charakter haben“.

Von daher ist es spannend, den teils verstörend-irritierenden, bedrohlichen, verschlüsselten und komplexen Kunstwerken in einer so nüchternen Umgebung wie einer Behörde zu begegnen. Zuweilen sorgt das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten dabei auch für unfreiwillige Wechselwirkungen. Etwa, wenn neben dem Glaskasten mit der eindringlichen Installation „Die Büchse der Pandora“ ein Flüssigkeitsspender hängt mit dem Hinweis „Hände desinfizieren nicht vergessen“.

Das Werk von Inge Kurtz zeigt die Gipsplastik einer Frau mit unbekleidetem Oberkörper, rosa Haaren und einer monströsen Gasmaske, deren Schlauch mit einer aus Computerplatinen konstruierten Box verbunden ist. Ganz in der virtuellen Welt gefangen, saugt das tanzende Techno-Girl mit dem Golfball in der Hand seine letzte Hoffnung aus der Wundermaschine. Die Arbeit wirkt wie ein Menetekel der neuen Zeit, in der uns die Verlockungen der künstlichen Intelligenz und die Anziehungskraft virtueller Welten blind werden lassen für die Erfordernisse der Realität, die uns umgibt.

Wer die Bildwerke von Inge Kurtz studiert, der wird immer wieder mit der Frage konfrontiert: In welcher Welt oder Wirklichkeit leben wir oder will ich leben? Wie prägen oder verändern der Informations-Overkill, die Technisierung und steigende Überwachung unser Bild vom Menschen? Filmzitate und Fotoausschnitte, Roboter-Androiden und Comicfiguren, Piktogramme, Graffiti und Werbebotschaften sowie Computerzeichnungen werden in den vielfach bearbeiteten Mixed-Media-Bildcollagen kunstvoll zu unterschiedlichen Themen und Sinnschichten verdichtet.

Die Kunstwerke schlagen die Brücke zum zweiten großen Interessensfeld der studierten Publizistin aus Tittmoning. Als Radiomoderatorin hat sie über Jahrzehnte auch Features und Hörspiele produziert und Interviews mit faszinierenden Persönlichkeiten geführt. Ähnlich wie in der Malerei setzt sie auch hier bewusst auf die Kunst der Collage und sagt: „Eine gute Geschichte behält ein Geheimnis zurück, ein gutes Bild auch. Nur ungelöste Rätsel erregen die Fantasie.“

Eine enzyklopädisch anmutende Breite an Themen und vieldeutige Tiefe kennzeichnen demgegenüber die Werke von Willee WTH Regensburger. Der vielfach ausgezeichnete Künstler, Performer, Filmschaffende und Buchautor schöpft in seinen Arbeiten aus so unterschiedlichen Wissensgebieten wie Geschichte und Physik, Literatur, Religion und Mythologie sowie Anatomie. In zahlreichen Serien beschäftigt er sich mit dem Bild des Menschen in unterschiedlichen Kontexten.

Im Landratsamt zeigt Regensburger Bilder, Zeichnungen und Drucke aus verschiedenen Schaffensperioden von mehr als 20 Jahren. Im Zentrum steht dabei das Thema Weltentstehung. Das Wirken kosmischer Urkräfte, Sternbilder und Atombewegungen interessieren ihn ebenso wie Epochen der menschlichen Zivilisation. In großformatigen Landkartenbildern von Städten wie Jerusalem, Chicago oder Amsterdam dokumentiert sich die Geschichte von Unglück und Unterdrückung, Terror und Krieg.

Ausgehend von einem Gedicht von Walther von der Vogelweide aus dem Mittelhochdeutschen spürt Regensburger den Kräften der drei Grundfarben und den Elementen Erde, Feuer und Wasser nach – Grundlagen des Lebens und der Zivilisation. In dem „Auge Gottes“ und „Nach dem Urknall“ tanzen schließlich mit Schablone aufgesprühte und mit dem Farbstift ergänzte Zeichnungen von Menschen-, Tier- und Mischwesen um eine Art göttliches Zentrum. „Wenn der Mensch in die Welt tritt, geschehen Dinge, die ganz schnell aus dem Ruder geraten und zu brutalen Konflikten führen können“, sinnierte dazu Herbert Stahl, Vorsitzender des Kunstvereins Traunstein, bei der Vernissage.axel effner

Bis 29. November

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