Traunstein – Das Atelier von Clemens Büntig in Traunstein ist Galerieraum, Druckwerkstatt und in besonderer Weise ein Labor. In diesem lässt sich etwas über die schöpferischen Kräfte in Kunst und Natur oder die Psychologie der Wahrnehmung erfahren. In den Begriff der Natur bezieht Büntig dabei auch die Natur des Menschen in all ihren Schattierungen mit ein.
Vielseitigkeit
erstaunt
Beim Betreten des langgezogenen Raumes erstaunt die Vielseitigkeit der Arbeiten an den Wänden, in Fensternischen und einer Sammelbox. Ob Kaltnadelradierung, Pigmentdruck, Monotypie, Zeichnung, Malerei oder Mixed Media-Verfahren: Büntigs Virtuosität als Grafiker und künstlerisch geschulter und experimentierfreudiger Naturerforscher ist offensichtlich.
Es ist spannend, seinem Werkprozess live, im Gespräch und mit der Kamera als Zeuge beizuwohnen. Schritt für Schritt entstehen dabei aus Pflanzenblättern, Druckfarbe, Papier und Leinwand, Pinsel und Druckerpresse sowie einem Stapel alter Landkarten Werke, die inspirieren.
Das selbstausgebaute Atelier im Herzen des Chiemgaus ist seit wenigen Monaten die neue Heimat des Künstlers. Büntigs Ziel ist nichts weniger als den Bildern ihre ursprüngliche Kraft und Magie zurückzugeben – in einer Zeit, in der täglich Milliarden von Bildwerken aus Computern, Handys und TV-Geräten die Hirne und Bewusstseinsebenen der Menschen fluten. „Mein Anliegen ist es, in meinen Bildern das Staunen und Wundern und das Nicht-Wissen jenseits des Verstandes wieder zurückzuholen in unsere unmittelbare Anschauung, auch die der Natur“, sagt der 55-Jährige: „Ich möchte die Dinge zu Wort kommen lassen, die selbst nicht reden können. So können wir auch wieder in Kontakt mit unserer eigenen Natur kommen.“
Büntig verweist darauf, dass mit der Erfindung der Druckgrafik im 15. Jahrhundert, Bildwerke erstmals von ihrem fest definierten Platz in frühmittelalterlichen Kirchen herausgelöst werden konnten. Die Möglichkeit zur Vervielfältigung der Bilder gab damit den Anstoß zu ihrer Verbreitung und Bildung vormals großteils leseunkundiger Bevölkerungsgruppen.
Mit seinen Arbeiten beschreitet Büntig heute den umgekehrten Weg. Aus der jederzeitigen Verfügbarkeit, Erklärbarkeit und Vervielfältigung von Bildern durch Google und Co. kreiert er einmalige Originale voller Ausdruckskraft. Anstatt vorgegebenen Denkmustern und Vorstellungen zu folgen, sieht der 55-jährige Grafiker im äußeren Abbild einer Pflanze nur ein Hilfsmittel zur Fokussierung der Wahrnehmung. „Ich lasse den verwendeten Materialien wie Papier, Kupfer und Säure, der Farbe und den unterschiedlichen Eigenheiten der Drucktechniken sowie meiner sich ständig verändernden Wahrnehmung viel Raum und Freiheit zur Mitgestaltung“, sagt der Künstler. Das spätere Bild, erklärt er, könnte man als Dokumentation, als Aufzeichnung einer Kommunikation unterschiedlicher schöpferischer Instanzen zwischen Künstler, Kunstwerk und Naturvorbild bezeichnen.
„Pflanzen sind Mitgeschöpfe und bieten sich an als Symbole für menschliche Beziehungen, Bewusstseinszustände und Seelenlagen“, ergänzt Büntig. Sie laden damit auch ein, „in Kontakt zu gehen mit der eigenen natürlichen Wildheit“. Im Betrachten des Kunstwerks kann sich dieser schöpferische Prozess bei entsprechender Offenheit fortsetzen.
Der Grafiker kann dabei auf einen breiten Fundus von Erfahrungen aufbauen. Geboren in San Francisco, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Oberbayern. Über seine Eltern, die die Zist-Akademie in Penzberg begründet haben, kam er früh in Kontakt mit tiefenpsychologischen Psychotherapieverfahren. In Cadiz und Basel studierte er Druckgrafik, bevor er in New York für den Druckexperten Aldo Crommelynck in der Galerie Pace Prints hochkarätige Editionsdrucke für Künstler wie Jim Dine, Ed Ruscha oder Richard Serra herstellte.
2008 gründete er eine eigene Druckwerkstatt und gab Editionen für Sean Scully oder in Kooperation mit dem „Brücke“-Museum in Berlin oder für druckgrafische Sammlungen heraus. Seine Werke sind auf internationalen Kunstausstellungen ebenso zu finden wie im British Museum oder der New York Public Library.
Neue Wege
beschritten
Im Zuge der Corona-Pandemie beschritt Büntig neue Wege der Naturvermittlung als Mitglied der Expertenrunde des Kuratoriums Natur sowie der Stiftung „Natur und Kunst“ oder im Projekt „Impulserkundung“ zusammen mit dem Autor, Biologe und Poeten Dr. Andreas Weber.