Liebe verboten, Vergnügen garantiert

von Redaktion

Die Opernbühne Maxlrain stemmt bravourös Wagners frühe Oper

Maxlrain – Dem anrüchigen Titel „Das Liebesverbot“ klebte der junge Richard Wagner noch ein „oder“ an: „…oder die Novize von Palermo“. Dagegen hatte die damalige Zensur nichts einzuwenden, die sich die Mühe des Weiterlesens ersparte und nicht bemerkte, dass „Das Liebesverbot“ nur so von normenwidriger Frivolität strotzt. Diese pikante Anekdote ließ Chariklia Apostolu, die versierte Dirigentin, das Publikum noch wissen, bevor sie den Einsatz gab zur rasanten, mit Überraschungen und wirbelnden Kapriolen gespickten Ouvertüre.

Eine Oper im
Dornröschenschlaf

Im Orchester saßen ausschließlich hoch motivierte Profis, denn Wagners Jugendopern sind keine Repertoirestücke; die sprudelnde Musik musste wohl erst mühevoll erarbeitet werden. Auch die Berufssänger dürften ihre Partien hier in Maxlrain zum ersten Mal gesungen haben. Umso verdienstvoller der Vorsatz, das „Liebesverbot“ aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Denn auf dem Grünen Hügel haben die drei „Jugendsünden“ des Meisters („Die Feen“, „Das Liebesverbot“ und „Rienzi“) sowieso Hausverbot…

Eine „Große komische Oper“ nahm also in der Reithalle von Maxlrain ihren lustvollen Verlauf und riss das Publikum sichtlich mit. Auch wenn Wagners Vision eines „Gesamtkunstwerks“ noch Zukunftsmusik war, diese Aufführung geriet zum Gesamtkunstwerk aus orchestralem Brio, sängerischem Schmelz, flottem Timing und komödiantischem Spiel. Und noch etwas: Regisseur Andreas Wiedermann hatte den Plot in eine Rahmenhandlung gewickelt: Vier Paare, deren Ehe in Schieflage geraten war, lassen sich vom Therapeuten zu einem Rollenspiel überreden, durch welches ihre Beziehung wieder saniert werden könnte. Der große Behandlungsraum des Therapeuten (Countertenor Fritz Stiegler), nüchtern und zweckmäßig eingerichtet, muss als Schauplatz für die beiden Akte herhalten. Steril? Nein, diese Inszenierung ist zwar nicht „normal“ (wie es von etlichen Opernfans immer wieder gewünscht wird), sie war mehr, nämlich witzig, und gab Gelegenheit zu allerlei zusätzlichen, sich logisch aus der Handlung entwickelten Gags.

Warum und wozu wird hier Liebe verboten? Im heißblütigen Palermo herrscht als Statthalter des Königs Friedrich ein Deutscher (Máté Herczeg). Karneval und die damit verbundene „Sittenlosigkeit“ sind ihm ein Gräuel, und um mit germanischer Gründlichkeit das Übel mit Stumpf und Stiel auszurotten, verbietet er kurzweg den Karneval und alle „Liebe“. Und er droht bei Zuwiderhandlung mit der Todesstrafe.

Das trifft gleich einen hochgestellten jungen Bonvivant, Claudio (Hubert Schmid), dessen Schwester Isabella (Karolina Plickova) als Novize im Kloster lebt und die dem Bruder aus der Patsche helfen soll. Nun entfaltet sich ein kunstvoll gesponnenes Intrigennetz, dessen Einzelheiten man doch am besten aus erster Hand erfahren sollte! Nur so viel: Der scheinbar so gesetzestreue Friedrich hat selbst gehörig erotischen Dreck am Stecken, und es werden Abgründe von Heuchelei und übelster Doppelmoral aufgedeckt.

Der Chor, also das Volk von Palermo, ist salopp gesagt das Salz in der wohlschmeckenden Suppe. Stimmlich absolut präsent, alle rhythmischen Finessen mit Vehemenz auskostend, wirbelt dieses Volk über die Bühne, demonstriert mit Schildern gegen den puritanischen Rechtsruck Friedrichs, stürzt aus einer der Türen hervor, verschwindet hinter einer anderen und wenn die aufgebrachten Sizilianer erst noch maskiert über die Bühne jagen, hat man das Gefühl, da seien Konfettikanonen abgeschossen worden.

Das Schicksal eines Opernorchesters: Es muss in schattenhafter Versenkung agieren und doch sein Bestes geben. Wie viele kostbare Details wären da zu genießen, etwa die zierlichen Einwürfe der Holzbläser, der samtene Glanz der Streicher, von den wuchtigen Attacken von Blech und Percussion ganz zu schweigen. Chariklia Apostolu hielt das Orchester mit leichter Hand zu Präzision und Tonschönheit an. Bravo!

Die Solisten: Die Rollen waren optimal verteilt – Máté Herczeg als Friedrich (im „Privatleben“ kommt er nicht von seinem Handy weg), zunächst beherrscht von eiskalter Mitleidslosigkeit, kommt zum Schluss noch zu menschlicher Einsicht und gibt dieser stimmlich überzeugend Ausdruck. Sein Büttel Brighella (Jens Olaf Müller) sieht sich selbst als Gutmenschen, der halt mal „barbarisch“ sein möchte. Mit klarer, verständlicher Stimme und großem Körpereinsatz ist er eine köstliche Figur aus der Commedia dell‘ arte!

Hubert Schmid als Claudio konnte sich nach lebensgefährlichen Turbulenzen und sittlicher Läuterung mit warmem, zu Herzen gehendem Gesang rehabilitieren. Sein Partner Angelo (Jeconiah Retulla) erfreute durch seinen pfiffigen Charme. Nicht vergessen darf man die kleineren Rollen, die aber die Farbigkeit des Spiels ungemein steigern: Anna-Maria Husca als Dorella, die erst über Enttäuschungen an den richtigen Lover gerät, und Derek Rue als schlitzohriger, aber enorm liebenswerter Luzio, der mit Feuer und virtuoser Brillanz seinen Karneval-Song zum Besten gibt. Bleiben uns noch zwei Nonnen: Julia Heller, die einst von Friedrich sitzengelassene Mariana, die aber stimmlich offensiv ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren versucht und die Handlung ins Rollen bringt.

Atemberaubende
Bühnenpräsenz

Ihre Mitschwester Isabella, als „Novize von Palermo“ ja titelgebend, ist zweifellos die Hauptfigur, die vielerlei Fäden in der Hand hält. Karolina Plickova füllte diese Rolle mit weicher und sehr beweglicher Stimme aus, sowie einer Bühnenpräsenz, die einem fast den Atem benahm. Beim Salzburger Landestheater wurde sie vom Publikum zur „Beliebtesten Sängerin“ gekürt. Das könnte ihr in Maxlrain auch passieren.

Wagner hatte seinerzeit Pech mit seiner Uraufführung in Magdeburg: Die Oper wurde sofort abgesetzt, da zum zweiten Abend nur drei Besucher gekommen waren. Diese Gefahr scheint hier gebannt, denn das Vergnügen des Publikums bei der Premiere war unbeschreiblich.

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