Kolbermoor – Eine gute Stunde moderne Orgelmusik gemischt mit Barockgesang gab es im Rahmen des Kleinen Kultursommers Kolbermoor in der Pfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit – ein kleines, feines Programm, das funkenschlagende historische Reibungen erzeugte.
Michael Anderl, Kirchenmusiker in der Rosenheimer Christkönig-Kirche, begann an der großen Orgel mit vier der „Neun neue Stücke“ von Augustin Franz Kropfreiter (1936 bis 2003), ehemals Stiftsorganist in St. Florian. „Süffige Harmonik“ attestiert Komponistenkollege Kurt Estermann dieser Musik. Anderl stellte dies mit seinem Spiel deutlich und freudig heraus, ebenso wie die an Bach angelehnte Polyphonie und die an französische Orgelmusik angelehnte Farbenvielfalt, Letztere besonders in den Klangkaskaden der Toccata hörbar.
Kurt Estermann (geboren 1960) ist Organist in Stift Wilten in Innsbruck und Kompositionsprofessor in Salzburg. Seine „capricci“ sind kurze, vergnügliche Orgelstücke mit Titeln, die das verlangte Spiel charakterisieren. Anderl spielte sie an der Chororgel immer schwungvoll vorantreibend und klangsatt, zum Beispiel das sich chromatisch reibende „cromatico“ oder das sich in gravitätischer Punktierung ergehende und heftig bewegte „alle francese“.
Michael Anderl setzte sich dann an die dritte von ihm gespielte Orgel, eine kleine Truhenorgel, und begleitete zusammen mit Simon Steinkühler an der sehr beweglichen Barockvioline und Annalisa Pappano an der Gambe die Sängerin Birgit Schönberger, die Barock-Lieder und -Kantaten von Dietrich Buxtehude, Samuel Capricornus und Johann Philipp Krieger sang. Sie führte ihren wohltönenden und durchaus kirchenfüllenden Sopran instrumental schlank, sodass er wie ein zusätzliches Orgelregister wirkte, während Annalisa Pappano ihre Gambe so schmelzendschön spielte, dass sie wie ein menschlicher Gesang wirkte.
Vor allem in der Krieger-Kantate mit den zahlreichen Taktwechseln zeigte Birgit Schönberger die Beweglichkeit ihrer Stimme und jubelte vor Freude überströmend. Die relativ kleine Zuhörerschar in der Pfarrkirche applaudierte ebenso freudig und herzlich, bekam aber dennoch keine Zugabe.
Rainer W. Janka