Ein Anschlag, der die Seele berührt

von Redaktion

Herbert Schuch spielt Klaviersonaten im Atelier von Antje Tesche-Mentzen in Hafendorf

Söchtenau – „Sein Ton ist von einer großen Sensibilität. Heute gehört er zu den größten Pianisten der Welt“. Gastgeberin Antje Tesche-Mentzen sparte bei der Begrüßung des Publikums in ihrem Kunstatelier in Hafendorf nicht mit Superlativen, um das Spiel von Pianist Herbert Schuch zu beschreiben. Doch sie hatte nicht übertrieben, denn Schuch zeigte in diesem Konzert einmal mehr sein meisterliches Können. Kurzerhand hatte er das Programm umgestellt. Der sympathische Pianist spielte Werke, die er laut eigenen Worten bisher nicht gekannt habe.

Dokument der Verzweiflung

Zu Beginn durfte das Publikum die c-Moll-Sonate KV 457 von Wolfgang Amadeus Mozart genießen. Das Werk gilt als ein Dokument der Trostlosigkeit und Verzweiflung. Wegen seiner Ausdrucksgewalt erinnert es eher an Komponisten der Romantik. Schuch interpretierte die Sonate mit sinnendem Ernst und Leidenschaft. Düstere, kraftvolle Akkorde wechselten nur kurz mit lichten, hellen Passagen, die aber bald wieder verschattet wurden.

Der Pianist schien ganz in die Musik versunken, spielte oft mit geschlossenen Augen. Sein Anschlag war mal hart und eruptiv, mal samten weich und beseelt. Mühelos gelang es ihm, den ganzen Gefühlskosmos Mozarts auszuloten.

Ausführlich mit Briefzitaten erklärte Schuch Arnold Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2 in einer Bearbeitung von Ferruccio Busoni. Schönberg habe das Stück zur Durchsicht an Busoni geschickt, war aber mit dessen Urteil nicht einverstanden.

Busoni bezeichnete es als ein schönes Stück, das die Menschen aber nicht verstehen würden. Schönberg konnte Busonis formelle Änderungen nicht gutheißen. Man könne auch nicht, wie er Busoni gereizt schrieb, in einem Bild van Goghs schiefe Linien gerade machen: „Bei mir gibt es keine Linien, die ich mir gerade denken kann.“ Süffisant ergänzte er: „ Ich möchte Ihnen noch nahelegen, ihre Transkription zu revidieren.“

Busoni scheint in seiner Bearbeitung den spröden Stil Schönbergs etwas geglättet zu haben. Schuch spielte die träumerischen Klangbilder, aber auch die harten, ernsten Brüche gefühlvoll und nuancenreich fast wie ein Impromptu von Franz Schubert. Oft waren die Töne kaum vernehmbar, schien der Klang nach melodischen Spannungen ins Unwägbare zu versinken. Fröhlich ergänzt wurde das Werk durch das Tschilpen der Spatzen, das durch ein offenes Fenster hereindrang.

Im Scherzo Nr. 2 in b-Moll von Frédéric Chopin demonstrierte Schuch virtuose Brillanz ohne jegliche Effekthascherei. Der romantisch-poetische Klang des Scherzos mit seiner pianistischen Artistik schien dem Publikum besonders gut zu gefallen. Mit stürmischem Feuer und technisch makellos brachte Schuch die drängenden Akkordfolgen zum Erklingen. Das Werk gipfelte in einer den Atem nehmenden rasanten Stretta.

Wild und melodramatisch

Nach der Pause spielte Schuch die fast halbstündige Sonate in b-Moll des Liszt-Schülers Julius Reubke. Das Werk, dessen wuchtige Melodramatik und Wildheit gefangen nahm, wirkte ziemlich düster und niederdrückend. Komponiert hat es Reubke, der mit 24 Jahren 1858 an Tuberkulose starb, ein Jahr vor seinem Tod. Schuch spielte mit viel Emphase und Einfühlung vom zartestem Pianissimo bis zu bedrohlichem Forte, oft den ganzen Körper im Einsatz, oft schien er die Tasten nur anzutupfen, dann wieder schlug er kraftvolle Akkorde.

Nach minutenlangem Beifall spielte Schuch zum Abschluss noch die Busoni-Bearbeitung des Bach-Chorals „Nun kommt der Heiden Heiland“.

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