Klänge aus romantischer und transzendenter Welt

von Redaktion

Kent Nagano und Concerto Köln zeigen bei Herrenchiemsee-Festspielen spannende Verbindungen auf

Herrenchiemsee – Musik mit heimlichen Verbindungen als Titel für das Konzert mit Kent Nagano und dem Concerto Köln – allein diese Ansage wirkte verlockend – das Programm mit Robert Schumanns Konzert für Violine und Orchester in d-Moll und Anton Bruckners Symphonie Nr 4 in Es-Dur in der Urfassung nicht minder.

Das Concerto Köln, spezialisiert auf die historische Aufführungspraxis des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, zusammen mit Kent Nagano, ihrem Ehrendirigenten, hier also auf Abwegen. Stehen doch Schumann und Bruckner sinnbildlich für romantisch inspirierte Musik, für kraftvolle Monumente und Naturszenerie schaffende Bilder. Ein besonderes Konzert also, und das war es in der Tat. Denn soviel sei schon jetzt verraten, die historischen Instrumente vermittelten Klangbilder von Rauheit, klangfarbenreich und trennscharf.

Doch der Reihe nach: Schumanns Spätwerk zeugt von der Unruhe, die Schumann dereinst plagte, und genau diese Stimmung verstand es Kent Nagano einzufangen. Shunske Sato, Konzertmeister und Solist, nahm scheinbar mühelos die schwierige Doppelgriffpassage am Schluss des ersten Satzes. Dann der verinnerlichte, fast schon meditative Dialog zwischen Bratschen, Celli und der Solo-Violine, von einem unvergleichlichen Teppich des Orchesters unterlegt. Aus dem crescendo der Solo-Geige erwächst eine Polonaise. Weniger cantabile, eher eigensinnig-couragiert und emotional tiefschichtig präsentierte der Solist mit Doppelgriffen und Verzierungen ein Stück großer romantischer Musik mit besonderen Eigenheiten. Da musste eine Zugabe her: Shunske Sato gestaltet die Allegro-Fuge aus der Bachschen Violin-Sonate Nr 1 g-Moll, BWV 1001, so hingebungsvoll, so lebendig, so unaufgeregt, dass man sich verbeugen wollte.

Nicht minder gewaltig ist Bruckners Vierte, deren Urfassung – erst 1936 gedruckt und 1975 uraufgeführt – im Spiegelsaal erklang. Von Kent Nagano mag man dessen Aufnahme mit dem Bayerischen Staatsorchester kennen, aber was Dirigent und Concerto Köln bei den Herrenchiemseefestspielen auf die Beine stellten, war ein Hörvergnügen par excellence.

Nagano, der behutsam Neben- und Hauptlinien zeichnete, forderte reichlich dynamische Nuancen zwischen pianissimo und fortissimo ein und bekam sie auch. Schon allein der Beginn – diese legendären Hornrufe und streichertremolierender Urgrund – erzeugt Gänsehaut. Das galt erst recht für das Andante quasi allegretto, das sich bis zum doppelten Fortissimo steigerte.

Glasklar stachen etwa im Kopfsatz die Pizzicati der tiefen Streicher aus der Blechbläser-Fanfare hervor. Schlank und zärtlich gerieten sowohl das einleitende Hornmotiv als auch die Kantilenen im Andante. Statt überdeutlicher Kontraste setzte Kent Nagano insgesamt auf homogene und fließende Übergänge. Die Musik strebte dynamisch ausgewogen und mit sparsam eingesetzten Rubati stets nach vorne und mündete in das große Finale, das mit Pauken und Trompeten endete. Was für eine Klimax – so viel Wucht, so viel Leidenschaft, so viel Spannung.

Heimliche Verbindungen zwischen Schumann und Bruckner, und inspirierende Verbindungen zwischen Kent Nagano und dem Concerto Köln. Klänge aus romantischer und transzendenter Welt – das musste erst einmal sacken. Erst nach einer gefühlt endlosen Stille erfolgt tosender, nicht enden wollender Applaus.

Elisabeth Kirchner

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