Mobbing, Mord und Missverständnis

von Redaktion

Verdis Oper „Rigoletto“ feiert in Schloss Amerang Premiere

Amerang – Profilierte Charaktere, eine gut mit Sex and Crime unterfütterte Story und zuallererst Giuseppe Verdis zündende Musik: Das sind Ingredienzien, aus denen unvergängliche und publikumswirksame Opern gemischt sind. Umso befremdlicher etliche leere Stuhlreihen: Das haben weder Schloss Amerang, noch Verdi, noch die famose Crew der Sänger und Musiker verdient. Freilich, das anwesende, von vorneherein freudig erregte Premierenpublikum feierte lautstark und mit heftigen Bravo-Rufen eine gelungene und mitreißende Aufführung.

Finsterling oder tragische Figur

Rigoletto – ein widerlicher Finsterling oder doch eine tragische Figur? Die Regie (Ingo Kolonerics) hatte den Hofnarren nur mit angedeutetem Buckel ausgestattet, und ließ ihn auch nicht ständig mit der Narrenkappe agieren. Nejat Isik Belen in der Titelrolle brachte alle Voraussetzungen mit, um den vielschichtigen Charakter Rigolettos glaubhaft, ja erschütternd zu verdeutlichen: Seine geschmeidige Stimme, die mühelos auch den dröhnenden Belcanto beherrschte, sowie seine schauspielerische Präsenz zeigten zunächst den abscheulichen Zyniker, der am Hof des Herzogs von Mantua Witz mit Boshaftigkeit verwechselt, und der die Herren, deren Ehefrauen der herzogliche Playboy verführt hat, zu allem Überfluss beschimpft und lächerlich macht. Als es aber um seine geliebte Tochter Gilda (Selin Dagyaran) geht, die ins Visier seines Brotherrn geraten ist, wird Rigoletto ängstlich und besorgt, schließlich übermannen ihn Wut und Hass. Für ihn steht fest, der Herzog muss weg: „Vendetta! – Rache!“ heißt die Devise. Der Schluss? Da bleibt ihm nur Verzweiflung.

Warum? Sie wissen schon: Gilda, die den Herzog tatsächlich liebt, opfert sich, und der Profikiller Sparafucile (Vedat Dalgiran mit prächtig nachtschwarzem Bass) sitzt einem Missverständnis auf. Sollte das frivole Liedchen, das der Herzog (Suhyeok Kim) selbstzufrieden, fast verschmitzt trällert, doch nicht der Wahrheit entsprechen: „la Donna é mobile…“?

Um Rigoletto gruppieren sich die Höflinge, hinterhältig zwar, aber mit wohltönend virilem Timbre (Eray Tozan, Mantas Gacevicius und Fernando Araujo). Eine besondere Stellung nimmt der alte Graf Monterone (Jonathan Story) ein – mit Donnerstimme schleudert er Rigoletto einen Fluch entgegen. Aberglaube her oder hin, die böse Prophezeiung trifft ein.

Nur zwei Frauen bereichern die Klangpalette dieser Oper, natürlich Gilda, die mit machtvoller Stimme alle Höhen und Tiefen ihres reichhaltigen Parts beherrschte, ja selbst sterbend noch eine Menge zu singen hatte, und die lebenslustige, selbstbewusste Maddalena (Mariana Pedrozo), die Schwester des Sparafucile, mit welcher der Herzog, um nichts anbrennen zu lassen, auch noch turtelte.

Die spannungsvolle Handlung rollte ab vor dem imposanten Bühnenbild von Hendrik Müller: Wir blicken auf die Piazza von Mantua und auf die Kirche, um die herum es so wenig fromm zugeht. In der Höhe wird das Bild von einer grinsenden Maske gekrönt. Geschmackvoll und malerisch hat Peter Denifl die Akteure eingekleidet.

Mit allen Wassern gewaschene Profis

Francesco Massimi hatte als Dirigent eine dynamische Truppe vor sich. Die Musiker sind so jung, dass man fast an ein Schülerorchester glauben mochte. Aber schnell wurde man eines Besseren belehrt: Die mit allen Wassern gewaschenen Profis ließen sich von keinen Verdischen Turbulenzen verunsichern; sie blieben immer haarscharf am Ball. Selbst die auf Grund der Enge des Schlosshofs bedingte Reduktion des Orchesters brachte keine Defizite. Tonschön auch im Getümmel entfalteten die Musiker ein farbenprächtiges Panorama – die Emotionen auf der Bühne wurden aus dem Orchestergraben, mitunter fast zu lautstark, nachdrücklich unterstrichen. Francesco Massimi wirkte als Dirigent zugleich „cool“ und elegant. Scheinbar lässig hatte er alles fest im Griff. Ein kleines Nicken mit dem Kopf nur, und schon schlugen aus der musikalischen Glut dramatisch auflodernde Feuergarben.

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