Erl – Wieder einmal war die Zugabe am gelöstesten: Das Scherzo aus Schuberts B-Dur-Sonate D 960, seiner letzten Sonate, spielt der britische Pianist Paul Lewis gleich einer Elfenmusik zauberhaft hingeperlt, tempo- und kontrastreich. In vier Konzerten bot Lewis bei den Tiroler Festsielen Erl Sonaten von Franz Schubert, nicht chronologisch geordnet, sondern reizvoll gemischt zwischen frühen und späten Sonaten. Am dritten Abend waren es die a-Moll-Sonate D 537 und die H-Dur-Sonate D 575, beide aus dem Jahre 1817, in dem er erst wagt, sich mit Beethoven zu messen, sowie die G-Dur-Sonate 894 aus dem Jahre 1826, zwei Jahre vor Schuberts Tod.
Meister des
sanften Anschlags
Paul Lewis gehört zu der Sorte der Tastenstreichler, ist ein Meister des gefühlvoll-weichen Anschlags – selbst im Forte, das selten stählern oder gar klirrend wird: ein Schubert auf Samtpfoten. Immer wieder holt er auch die Mittelstimmen heraus, reizt aber mögliche Kontraste nicht immer aus. Dafür kann er souverän mit dem Pedal umgehen, das, nach Anton Rubinstein, die Seele des Klaviers ist: Sein Pedalspiel gibt der Musik weiten Raum. Immer wieder ist er auf der Suche nach dem Kantablen: Schubert als Liedsänger. Man könnte sogar sagen, er versucht selbst den Rhythmus zum Singen zu bringen. Wenn’s so ans Singen geht, geht ihm und uns Zuhörern das Herz auf. Und er versteht es auch, die Pausen zum Klingen zu bringen. Vor allem aber kann er betörend gestalten, wie Schubert gerne Sonaten enden lässt: Das Verebben der Themen, der Musik, ja des Lebens, das Wegfliegen, das Verhauchen, das Ersterben wird bei Lewis zum Ereignis. Auch damit bannt er das Publikum, das sehr konzentriert, ohne Huster, zuhört.
So beginnt er die G-Dur-Sonate, eine von Schuberts vollkommensten und schönsten, zögernd, sinnend, verhalten, vorsichtig, sich gleichsam vergewissernd, in sich hineinhorchend, um dann wieder ins unendlich träumende Singen zu kommen, mit aller Weichheit und Zartheit, die möglich ist: Schubert auf Zehenspitzen. Sodass man manchmal hofft, Schubert möge doch einmal ordentlich auftreten, ja aufstampfen.
Glitzerglanz in den Diskant-Passagen
Herrlich ist der Glitzerglanz in den Diskant-Passagen, tiefgefühlt ist die Sextenseligkeit, und fast ins kostbar Unhörbare schwindet die Musik im klangzauberischen H-Dur-Trio – wie nicht (mehr) von dieser Welt.
Stark und immer wieder von Bravo-Rufen, Pfiffen und Füßegetrampel durchmischt ist der Schlussbeifall, den Paul Lewis mit stillem Lächeln entgegennimmt und eben mit der Elfenmusik beantwortet.