Tönende Wunder im Spiegelsaal des Schlosses

von Redaktion

Orchestra of the Eighteenth Century spielt unter Leitung von Alexander Janiczek bei den Herrenchiemsee-Festspielen

Herrenchiemsee – Als Wunder bezeichneten Zeitgenossen von Joseph Haydn dessen Symphonie Nr. 96 in D-Dur, und das Orchestra of the Eighteenth Century unter Leitung von Geiger Alexander Janiczek bot diese Symphonie wahrlich als tönendes Wunderwerk dar.

Nach der getragenen, schon fast düster wirkenden Einleitung schwenkte die Musik in pure Euphorie um, schnelle Wechsel von Dur zu Moll erzielten nicht minder großartige Effekte – und das Orchestra of the Eighteenth Century bot dies alles transparent und detailgenau an. Immer mit klar phrasierter Linienführung und fein ziselierten Melodien, hier ein kantables andante mit zart hervortretenden Soloviolin-Stimmen, dort ein flottes Minuet, dem sich ein noch großartigeres flottes vivace anschloss. Und das alles bei durchgängig weichem und klaren Klang. Haydn hier als Erbe barocker Techniken interpretiert – ein wahrhaft tönendes Wunder, das das gesamt Ensemble mit sichtbarer Freude darbot.

Schon mit der Eröffnung hatte das Orchester Maßstäbe gesetzt: Die Einleitung zur Kantate „Chant sur la mort de Haydn“ von Luigi Cherubini war so spannend, so atemberaubend schön gestaltet, dass man kaum zu atmen wagte. Die Hörner, die Kontrabässe, die Celli, sie führten hinein in einen Klagegesang, den Cherubini dem geschätzten Komponistenfreund zu dessen fälschlicherweise 1804 annoncierten Tod gewidmet hatte.

Plastisch, transparent steigerte sich das Opus zu einem opulent-düsteren Gesang, ehe es wieder spannend und leiser werdend ausklang. Kann man solch wunderbar dargebotene Musik noch toppen? Kann man, wie das Orchester im zweiten Teil mit Ludwig van Beethovens 1. Symphonie in C-Dur bewies. Die Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung, die nicht mit C-Dur anfängt, sondern über F-Dur, G-Dur und diverse Septakkorde klettert, bis sie mit dem ersten Thema ihr Ziel erreicht.

Bei Janiczek keine halbherzige Pose, sondern stark akzentuierte Sforzato-Provokation und Programm für das Folgende. Vor allem begeistert die Betonung der Bläser, das heißt ihre wirkliche Gleichberechtigung mit den Streichern. Hoch diszipliniert, technisch einwandfrei, und zugleich voller Heiterkeit und Energie präsentiert sich das Orchester, das stürmisch vorwärtsdrängt, ohne zu eilen, das Spannungsmomente setzt, ohne aufgesetzt zu wirken.

Janiczek, der mitspielte, verlangte seinem Orchester knackige Rasanz und energische „Werktreue“ ab. Jedes noch so kleine Detail wurde ernst genommen. Wunderbar, wie im andante cantabile con moto Akzente gesetzt wurden, das Auflodernde, Freche im dritten Satz – ein Menuett. Allegro molto e vivace geriet da beinahe zu lebendig, zu rasch. Und war doch perfekter Übergang zum finalen Andante – allegro molto e vivace. Die Energie, die Beethovens Symphonie innewohnt und die das Orchester mit purer Spielfreude ausstrahlte, ließ den Spiegelsaal noch mehr glänzen. Wahrlich tönende Wunder. Elisabeth Kirchner

Artikel 6 von 11