Herrenchiemsee – La serenissima – die Stadt Venedig ist mit vielen Klischees behaftet und verzaubert doch mit ihren Gegensätzen – Stadt der Brücken, Kanäle, Kirchen und Palazzi, Stadt von Vivaldi und Tizian, von Thomas Mann und Richard Wagner. Perfekt geeignet, um dieses Kaleidoskop mit Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart einzufangen.
Anastasia Kobekina, junge virtuose Cellistin, die zwischen einem Stradivari-Cello von 1698 und einem modernen Cello wechselte, und das an Pulten stehende Kammerorchester Basel unter seiner mitreißenden Konzertmeisterin Julia Schröder nahmen ihr Publikum im Spiegelsaal von Herrenchiemsee mit auf eine Reise nach Venedig. Kurzweilig war das Programm – szenisch, auch das – zwischen Duett, Quintett und Vollbesetzung wechselnd, voller Energie und Vitalität, voller Lebensfreude.
Die verbindende Klammer zwischen alten und modernen Werken war immer wieder Antonio Vivaldi: Wunderschön artikulierend und tonschön spielte das Kammerorchester Basel das g-Moll-Concerto RV 156 und das Concerto ripieno in A-Dur RV 158 und beglückte beim Zusammenspiel mit der Solistin beim g-Moll-Concerto RV 416 und den beiden Einzelsätzen aus dem e-Moll-Concerto RV 409 und dem d-Moll-Concerto RV 405.
Eleganz, Glanz und Rasanz, gewürzt mit Genauigkeit in der Intonation, Artikulation und Phrasierung und wohlklingender Kantabilität in den langsameren Sätzen – für Kobekina und das Basler Kammerorchester wohl ein einfach zuzubereitendes Rezept. Für das Publikum hingegen ein Ohrenschmaus und – in den vorderen Reihen – eine Augenweide. Allein ein charmantes Lächeln und weit aufgerissene Augen genügten Julia Schröder als Auftakt, Anastasia Kobekina antwortete nicht minder ebenbürtig auf Augenhöhe mit allen Musikern.
Verblüffend, mit welcher Leichtigkeit die Solistin die Lagen wechselte, wie sie Doppelgriffe und Verzierungen scheinbar mühelos meisterte und mit welcher Geschwindigkeit sie Läufe und Kadenzen nahm. Atemberaubend, wie sie – passend zu den jeweiligen Stücken – mit scheinbar größter Selbstverständlichkeit das Instrument wechselte und die Spannung hielt.
Den Auftakt machte das Concerto grosso in B-Dur op.5/1 des venezianischen Komponisten Tomaso Albinoni. Später erklangen aus Igor Strawinskys Suite italienne die Sätze Serenata, Tarantella und Minuetto e Finale. Das „molto vivace“ war hier deutliche Ansage.
Ganz anders, poetisch und die Gondeln versinnbildlichend, das Wiegenlied „Les berceaux“ von Gabriel Fauré. Madrigalartig mutete Barbara Strozzis „Che sì può fare?“ an. Hier untermalten Martin Zeller (Cello), Azul Lima (Theorbe) und Andreas Westermann (Cembalo) als wohlfeiner Basso continuo den Cello-Gesang Kobekinas. Die Fantasie rund um Venedig regte das minimalistisch raffinierte und mit außereuropäischen Melodien gespickte pizzicato-Stück „Limestone Felt“ von Caroline Shaw (geb. 1982) an, bei der Kobekina und die Bratschistin Mariana Doughty perfekt miteinander harmonierten.
Auch die Abendserenade für zwei Celli – Anastasia Kobekina und Martin Zeller – beflügelte träumerische Gedanken und war doch nur Auftakt für virtuose Variationen über ein Thema aus Rossini „Mosè“ als Höhepunkt und Finale. Wilde Läufe, Flageoletts, Glissandi – Komponist und Teufelsgeiger Niccolo Paganini hätte sicher auch der Teufelscellistin Kobekina applaudiert. So gab es nur donnernden Applaus vom Publikum.
Schlussverbeugung und ein Tango als Zugabe? Nein, es war der dritte Satz, das Allegro aus Vivaldis a-Moll-Concerto RV 419 – wahrhaft serenissima, elegant, glänzend und rasant.
Elisabeth Kirchner