„Happy Day“ with Anton Bruckner

von Redaktion

Erler Festspielchor singt internationale sakrale Chormusik

Erl – Der Chor der Tiroler Festspiele Erl agiert normalerweise als Opern- und auch als Oratorienchor, also eher im Hintergrund. Er selber spielte nun einmal die Hauptrolle am vorletzten Tag der Sommerfestspiele: Er gab ein gut besuchtes reichhaltiges Konzert mit sakraler Chormusik von russischen bis deutschen Komponisten, von Vigil-Gebeten bis zu Gospels, von Bruckner-Motetten bis zu Zulu-Gesängen.

In „Geheiligt werde dein Name“ von Rodion Schtschedrin (geboren 1932) offenbarten sich die Stärken des Chores: Aus dem klingenden Piano heraus hebt sich der kompakte und wohlgeformte Chorklang mit gut gestütztem Gesang und kontrolliertem Forte. Die Dirigentin Olga Yanum, die den Chor seit 2018 leitet, dirigiert mit animierender und präziser Gestik.

Dass der Chor natürlich im russischen Repertoire zu Hause ist, hörte man in den klangsatten, klanggeschärften und stimmgewaltigen drei Vigil-Gesängen von Sergej Rachmaninow wie auch im „Agnus Dei“ Nr. 6 aus der Chorsymphonie „Missa“ von Oleg Khodosko aus dem Jahre 1964, in dem sich über wogendem und dann sich ekstatisch steigerndem Chorklang zwei Solistinnen erheben, aber auch in einer Motette von Wassili Titow (1650 bis ca. 1715), die die Taufe Jesu durch Johannes bejubelt: Hymnisch rufen sich Chöre die Worte zu, alles ist höchst bewegt und richtiggehend szenisch komponiert.

Interessanter war’s, wie der Chor, der mehrheitlich aus Belarus stammt, mit dem deutschen und westeuropäischen Repertoire umgeht. „Os justi“ von Anton Bruckner nahm Olga Yanum relativ rasch und melodisch großbogig, nicht so langsam, wie es viele deutsche Chöre singen. Dieser sehr direkte chorische Schwung tat der Motette gut, die sich klanglich so aufwölbte wie ein gotischer Spitzbogen. Bis zum Schrei nach Erbarmen steigert sich das achtstimmige „Kyrie“ von Frank Martin (1890 bis 1974), im Raum verteilt standen die Sänger bei „Nunc dimittis“ von Arvo Pärt (geboren 1935), das die Sänger mit echt russischer Inbrunst bis zum im strahlenden Fortissimo ertönenden Wort „Lumen“ (Licht) sangen. Höchst beeindruckend darauf der auskomponierte Stammbaum Jesu bis zurück zu Adam und damit zu Gott in „Which was the son of…“ ebenfalls von Arvo Pärt. Mystisch schimmerte die Hommage von Knut Nystedt (1915 bis 2014) an Bach: Sein „Immortal Bach“ fantasiert vielstimmig über „Komm, süßer Tod“, dissonant fließend, bis es sich unmerklich hin zur Einstimmigkeit auflöst.

Ausgelassener wurde es im letzten Teil: Eine Trommel markierte den Rhythmus in einem haitianischen Volkslied, bei dem die Sänger sich rhythmisch dazu bewegten und das Publikum zum Mitklatschen animierten, ein geistliches Lied der Zulus war ebenfalls tänzerisch belebt, und bei den vier bekannten Gospelsongs hellten sich alle Stimmen freudig auf, blieben auch in den Freudenschreien (bei „Joshua fit the Battle of Jericho) kultiviert und boten in „Oh Happy Day“ auch noch eine Solosängerin mit echt schwarzer Stimme auf. Das schwärmerisch gesungene „Amazing Grace“ beendete dieses rückhaltlos begeisternde Konzert. Bei aller musikalischen Internationalität wäre es schön gewesen, wenn der Chor aus Belarus auch ein ukrainisches Lied gesungen hätte…

Artikel 4 von 8