Rosenheim – Im zartrosa Sakko und schwarz funkelnden Lackschuhen steht er da. Giora Feidman mit seinen 88 Jahre und seit über 75 Jahren auf den Bühnen der Welt zu Hause, hat sich schon beim Einmarsch in den Altarraum mit „Shalom Chaverim“ und seiner Aufforderung mitzusingen, in die Herzen des Publikums gespielt. Ein besonderer Auftakt für ein besonderes Konzert. Denn Feidman und Pianist Vytis Šakuras spielen Stücke aus dem jüngsten Musikprojekt „Friendship“ und dem aktuellen namens „Revolution of love.“ Letzteres ist, wie Feidman in einer Mischung aus Deutsch, Jiddisch und Englisch erklärt, sein Traum von einer Welt ohne Krieg.
Denn: „Krieg never solves the problem.“ Giora Feidman bittet den Komponisten der neuen Stücke, Majid Montazer, auf die Bühne im Altarraum. Die Männer umarmen sich und halten ihre Hände, während sich Feidman an das Publikum wendet: „Die eine Hand ist von einem Moslem, die andere von einem Juden. In Israel sagen wir eine Millionen Mal am Tag ‚Schalom‘. Die arabischen Menschen sagen täglich millionenmal ‚Salam Aleikum‘. Aber wir müssen das ‚Schalom‘ wirklich fühlen, wir sollten Liebe fühlen!“
Ein bewegender Moment, der 88-jährige jüdische Klarinettist Hand in Hand mit dem über 40 Jahre jüngeren Komponisten, einem gebürtigen Iraner. Und doch will Feidman keine Sentimentalität aufkommen lassen. Stattdessen soll die Musik von Montazer, Scott Joplin, Bela Kovac, Leonhard Cohen, Astor Piazzolla und Carlos Gordel sprechen. Eine Musik, die Brücken baut. Zwischen den Menschen, zwischen Nationen und zwischen Generationen – sein deutlich jüngerer Klavierpartner Šakuras ist gebürtiger Litauer. Während des Konzerts entfalten sich simple, perlende Klänge und Akkorde zu großen Melodiebögen wie bei „Silent Heroes“ oder „The sound of soul“. Zum „Persian Waltz“ möchte man sich mitwiegen, die „Sweet melody of life“ erinnert an eine Spieluhr.
Das „Nostalgia“ bräuchte nicht einmal einen Namen, die melancholisch-romantischen Läufe sind auch so wahre Poesie. Schwungvoll gerät der „Entertainer“, zum Tango lädt „por una cabeza“ ein, das „addio nonino“ ist ebenfalls ein Gruß an Feidmans Heimat.
Das Gassenhauer-verdächtige „Hallelujah“ entfaltet dank der erneuten Aufforderung des Maestros, mitzusingen, für Feidman „eine tremendous energy“ und wenn die beiden Musiker schrittweise bei den Traditionals „Yossel Yossel“ oder „Sholem Alekhem, Rov Feidman“ das Tempo erhöhen, dann kann man nur anerkennend und bewundernd mitwippen.
Šakuras, der nicht nur den Klarinetten-Meister einfühlsam und akzentuiert auf dem Klavier begleitet, sondern auch als Solist („The scent of life“) mit seinem Spiel begeistert. Und natürlich Feidman, der noch immer seinem Instrument Lagenwechsel, hohe Töne und geschwinde Läufe abtrotzt. Auch wenn er das Konzert im Sitzen absolviert („die Bandscheibe.“)
Mit schelmischem Grinsen nimmt er seine Bassklarinette („der Opa von der Klarinette“) und wird dann doch ernsthaft mit „The same way to God“. Auch nach über 90 Minuten ist von Müdigkeit wenig zu spüren, stattdessen gesteht er dem Publikum eine Zugabe zu: „You sing so shein (schön).“ Aus der Melodie von „Hänschen Klein“ entwickelt er „Donna Donna“ von Joan Baez und animiert erneut zum Mitsingen.
Musik, die den friedlichen Protest symbolisiert, Musik, die voller Energie und Lebensfreude steckt und die umarmt. Glücklich, wer diese „Revolution of love“ mitfeiern durfte. elisabeth kirchner