Aschau – Was muss passiert sein, dass das eher gesetzte Klassik-Publikum begeistert den Takt mitwippt und später mit Händen und Füßen tosenden Applaus in der Aschauer Festhalle spendet? Bei Festivo war das Corrado Giuffredi Quartett zu Gast. Und das Programm der vier Italiener rund um den Klarinettisten Corrado Giuffredi (der übrigens schon 1993 als einer der ersten Mitwirkenden bei Festivo auftrat) war – man kann es nicht anders sagen – mitreißend, begeisternd, energiegeladen und definitiv positiv stimmend.
Der Saal
vibrierte
Schon beim Auftakt mit der Quadrille von Johann Strauss Sohn, mit Motiven aus der Verdi-Oper „Un Ballo in Maschera“ vibrierte der Saal. Schmissig und dynamisch zündeten Corrado Giuffredi (Klarinette), Cesare Chiachiaretta (Bandoneon), Giampaolo Bandini (Gitarre) und Antonio Mercurio (Bass) ein Klangfeuerwerk nach dem anderen. Maurice Jeanjeans „Guisganderie“ war nicht minder flott, munter, beinahe jazzig anmutend. Die russische Volksweise „Balalaika“ war gelebte Leidenschaft, russische Seele gepaart mit italienischem Feuer. Die Suite aus der Oper „Il Trovatore“ von Verdi – als wäre es abgesprochen, erklangen passend zu den ersten Takten der Musik die Glockenschläge vom Turm vor der Festhalle – war ein grandioses Medley: Hier ein Walzer, zart wiegend, himmlisch und dort, sehr flotte Melodien. Corrado Guiffredis Fertigkeit, seine Finger über die Klappen fliegen zu lassen und quasi unendlich lang hohe Töne zu halten, ließ das Publikum jubeln. Chapeau auch seinen Begleitern.
Chiachiaretta verschmolz mit seinem Bandoneon, Gitarrist Bandini zauberte brilliante, warme Töne und Bassist Mercurio konnte sowohl beinahe flüsternd pizzicato als auch seinen Bass wie ein Cello singen lassen.
Lautmalerisch, beinahe poetisch wurde es bei Astor Piazollas „Invierno Porteño:“ Hier sah man sich drinnen sitzen, plaudern und tanzen, während es draußen kalt und ungemütlich ist. Piazollas „Oblivion“ lud ebenfalls zum Tangotanzen ein, ein bekanntes Werk, das hier dank der Dynamik und Ausdruckskraft der vier Musiker seine ganze ihm innewohnende wahre Schönheit entfaltete.
Nicht minder klangschön die „Movie Suite“ von Nino Rota (1911 bis 1979) und Roberto Molinelli (geb. 1963). Da sah man Marion Brando als „Paten“ und da wähnte man Peter Ustinov als ermittelnden Hercule Poirot im „Der Tod auf dem Nil.“ Mit George Gershwins„Blues“ aus „Ein Amerikaner in Paris“ schlug das Herz von Cineasten höher.
Berückend und nicht von dieser Welt – auch dieser Begriff muss hier fallen – war Joaquin Rodrigos (1901 bis 1999) „Adagio“ aus dem „Concerto des Aranjuez.“ Dieser hatte die Trauer um seinen totgeborenen Sohn musikalisch verarbeitet. Und all diese Gefühle – Schmerz, Trauer, Wut und Fürbitte – interpretierte das Quartett mit so viel Leidenschaft, als sei es selbst dabei gewesen.
Maurice Ravels „Bolero“ zum Finale setzte das i-Tüpfelchen: Gitarrist Bandini mit der 169-mal sich wiederholenden gleichen rhythmischen Trommel – hier Zupf-Figur – mit den berühmten Triolen. Auf dem rhythmischen Klangteppich breiteten Bandoneon, Klarinette und Bass Melodien aus, immer lauter, immer expressiver bis zum abrupten Abbruch auf dem Höhepunkt – das war Gänsehaut pur. Lange Stille, ehe tosender Applaus aufbrandete. Klezmer-Musik, Gershwins „Fantasy“ aus „Porgy and Bess“ und Piazzollas „Libertango“ als Zugaben setzten das Konzert einfach weiter fort. Schlussakkord – das ja, aber noch lange nicht Schluss mit der Leidenschaft, Lebensfreude und guten Stimmung.