Ab dem ersten Ton ist alles im Fluss

von Redaktion

Die Zwillinge Juliane und Christian Mayer aus Bad Aibling über ihre große Leidenschaft: die Musik

Bad Aibling – Auf dem Klassenfoto der 6c im Jahresbericht des Ignaz-Günther-Gymnasiums stehen sie ganz unauffällig mittendrin, im außerschulischen Leben aber ganz oben: Die zwölfjährigen Zwillinge Christian und Juliane Maier aus Bad Aibling gewinnen bei den verschiedensten Musikwettbewerben alles, was es zu gewinnen gibt, Christian mit dem Akkordeon und Juliane mit dem Klavier und der Orgel. So ganz von ungefähr kommt dies nicht, denn die Eltern sind auch Musiker: Vater Hans Maier ist Professor für Akkordeon, Kammermusik und Methodik an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen, Mutter Maori Kune-Maier ist eine in der Region sehr gefragte Organistin.

„Finde mich immer
schnell zurecht“

Bereitwillig und sehr höflich beantworten beide Kinder alle Fragen. Bei „Jugend musiziert“ spielt man sich über Regionalwettbewerbe und Landeswettbewerbe hoch bis zum Bundeswettbewerb. Zweimal hat Juliane mit Klavier mitgemacht und alles gewonnen, jüngst beim Orgel-Bundeswettbewerb im Mai in Lübeck mit der Höchstzahl von 25 Punkten. Sie hat vier Stücke gespielt: von Bach das Präludium BWV 531, dazu ein Trio a-Moll von Johann Ludwig Krebs, etwas von César Franck und „Intermezzi“ von Herrmann Schroeder. Sie spielt alles gerne, aber Bach gefällt ihr besonders gut: „Am Anfang ist ein Pedalsolo, das mag ich sehr gerne.“ Der Wettbewerb fand auf der großen Klais-Orgel in der Ägidien-Kirche statt, das Preisträgerkonzert, das vom NDR übertragen wurde, in der Jakobikirche. Zweieinhalb Stunden hatte jeder Prüfling Zeit, sich die Orgel zu erspielen und die passende Registrierung einzurichten. Bis halb zehn Uhr abends war die Zeit für Juliane. „Ich find‘ mich immer sehr schnell zurecht,“ sagt sie selbstbewusst. Sechs Prüfer saßen unten im Kirchenschiff und bewerteten die Leistung.

War sie sehr aufgeregt? „Es ging“, sagt Juliane, „ich hab‘ ja gut geübt.“ Wo übt sie? Zu Hause im Keller des Einfamilienhauses steht – neben zwei Cembali – eine recht große elektronische Übe-Orgel mit Anschlagsdynamik. Juliane führt ihr Bach-Pedalsolo vor: Zuerst zieht sie ihre Orgel-Schuhe mit Ledersohle an, dann eilen die Füße hurtig die Pedale rauf und runter, später die Finger bei den Sechzehntelläufen.

Wenn sie nicht an dieser Orgel sitzt, spielt sie in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Bad Aibling und in der Herz-Jesu-Kirche in Bad Feilnbach.

Ab September ist Juliane Jungstudentin in der Musikhochschule München. Davor hatte sie schon die Aufnahmeprüfung für das Mozarteum in Salzburg bestanden – doch dann kam Corona. Einmal in der Woche hat sie dann Unterricht am Instrument, vierzehntägig am Samstag Unterricht in Gehörbildung und Musiktheorie. Juliane fährt dann immer alleine nach München, die Räume kennt sie schon alle.

Christian hat den bayrischen Akkordeonwettbewerb in Weilheim und das Finale des deutschen Wettbewerbs in Ettlingen gewonnen, davor auch schon etliche Wettbewerbe, auch in Kammermusik. Er hat von Haydn die C-Dur-Sonate für Cembalo gespielt, die für Akkordeon arrangiert wurde. Um darzustellen, wie man eine Cembalo-Sonate auf dem Akkordeon spielt, holt Christian sein großes Konzert-Akkordeon und spielt sie vor: glänzend, rauschend und souverän-leichtfingrig, mit genauer dynamischer Abstufung.

Auch ein Prélude von Torben Lundquist sowie ein Stück des finnischen Komponisten Heikki Valpola mit dem lustigen Titel „Auf dem Trampolin“ standen auf seinem Programm. War Christian aufgeregt? „Man gewöhnt sich ja an die Prüfungen und dann ist man nicht mehr so aufgeregt“, sagt er bescheiden-selbstbewusst. „Wenn ich den ersten Ton spiele, bin ich nicht mehr aufgeregt, davor schon ein bisschen.“

Akkordeon ist ja nicht ein Instrument, das sich jeder spontan aussuchen würde. „Mit drei Jahren habe ich ein Monat Cello gespielt, mit fünf Jahren habe ich mit Akkordeon angefangen. Davor durfte ich noch nicht, weil ich noch zu klein war.“ Er holt von oben das spezielle Akkordeon, mit dem er angefangen hat – ein kleines süßes Instrument, das extra für ihn gebaut worden ist, gleichsam ein Prototyp. „Ich hatte den Papa als Lehrer, und es hat mir gleich Spaß gemacht.“

Juliane hat mit drei Jahren Klavier gespielt und vor zwei Jahren hat sie begonnen, auch Querflöte zu spielen. Sie übt also jeden Tag auf drei Instrumenten: eineinhalb Stunden Klavier und Orgel, Flöte etwas weniger.

Und Christian spielt zusätzlich noch Oboe: „Das Üben ist schön, weil man da immer wieder neue Stücke ausprobieren kann.“ Und damit kann er auch beim Jungen Symphonischen Orchester im Ignaz-Günther-Gymnasium mitspielen. Weil der erste Oboist Abitur gemacht, ist er jetzt vom zweiten zum ersten Oboisten aufgerückt.

Wissen die Mitschüler, wie gut die Zwillinge in Musik sind? Juliane erklärt es: „Wir haben ja im musischen Zweig zweimal im Jahr Klassenvorspiel, da weiß dann jeder, wie der andere spielt. Die Mitschüler klatschen dann und gratulieren.“ Christian und Juliane machen auch immer beim jährlichen Unterstufenkonzert mit, sodass auch die übrigen Mitschüler hören, wie gut sie sind.

Und Christian ergänzt: „Unser Musiklehrer verkündet auch immer, welche Wettbewerbe wir gewonnen haben.“ Dieser Musiklehrer, Oberstudienrat Stefan Unterhuber, ist auch voll des Lobes über die Zwillinge: „Sie stechen zwar heraus, trumpfen aber nicht auf und sind überhaupt furchtbar nett.“ Und wie geht’s mit den anderen Schulfächern? Gut – was sonst? „Wir machen immer zuerst unsere Hausaufgaben, lernen und dann üben wir“, erzählt Christian. „Und dann machen wir auch noch manchmal Sport“, sagt er so nebenbei.

„Ich mache Leichtathletik und Ballett“, wirft Juliane eifrig ein. Christian ist jüngst zweimal Stadtmeister in Leichtathletik-Dreikampf geworden: Weitsprung, Sprint und Weitwurf. Und dann ist er auch noch südostbayerischer Vizemeister im Hochsprung.

Statt Baden
Musik-Sommerkurse

Die Eltern ergänzen, er habe auch bei den Besten-Wettkämpfen in der Schule mitgemacht. „Da hab‘ ich auch gewonnen“, konstatiert Christian trocken. Beide freuen sich schon, Nach dem Besuch des Reporters fahren Christian und Juliane mit ihren Eltern zu den Salzburger Festspielen, um einen Liederabend mit dem Bariton Christian Gerhaher zu besuchen. Und die Woche drauf?

Steht da etwa unbeschwertes Baden am See auf dem Programm? Nein – Christian und Juliane werden Musik-Sommerkurse in Südtirol besuchen. Sie bekommen einfach nicht genug vom Lernen und von der Musik – und von Wettbewerben.

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