Stephanskirchen – Mühelos übertönten die Sänger die Biergartengeräusche des Gasthauses Antretter und auch die Blasmusik des gleichzeitig stattfindenden Feuerwehrfestes. Die Sänger – das sind die Absolventen der „Masterclass“ von Kammersänger Oskar Hillebrandt, die zum neunten Mal in Neubeuern abgehalten wurden. Der seinerzeit in aller Welt gefeierte Bassbariton Hillebrandt, quasi der Meister seiner Meistersinger, verbessert bei seinen Schülern deren Fähigkeiten in Gesangstechnik, Präsentation und Interpretation und legt dabei Wert auf die Grundlagen des Singens: korrekte Atmung, freie Töne ohne zusätzliche Muskelanspannung, klare Vokalaussprache und wohlklingende Konsonantenausbildung.
Natürlich sind die Ausbildungsniveaus unterschiedlich. Simon Hermansdorfer etwa suchte sein Heil mehr in der humorigen Darstellung seiner Arien als in den richtigen Tonhöhen. Er agierte sowohl als Schweinebaron („Ja, das Schreiben und das Lesen“) als auch als Figaro („Non piu andrai“). Erst 17 Jahre alt, doch schon bühnenerfahren ist Fanny Kern, die Tochter des Volksschauspielers Andreas Kern. Sie zeigte sich als vielversprechendes Talent mit Höhe und Fülle ihres Soprans in der Arie der Giulietta aus „I Capuleti e i Montecchi“ von Vincenzo Bellini. Nur hatte sie hier noch etwas Schwierigkeiten, ihre Stimme zu fokussieren. Völlig freigesungen hatte sie sich dann in einer Szene aus Pergolesis „La Serva Padrona. In ihrem natürlichen komödiantischem Spiel war ihre Stimme agiler, lebendiger, gelöster und geradezu sonniger. Hörbar erkältet war Richard Götze, dessen kernige und durchschlagende Bassstimme man aber wohl heraushörte, sowohl im Schubert-Lied „Der Wanderer“ als auch in der Gold-Arie aus Beethovens „Fidelio“.
Sichtbar Bühnenerfahrung hat der japanische Bassbariton Kento Uchiyama. Raumfüllend mit metallenem Kern und perfektem Sitz ist seine Stimme und sehr präsent ist sein Auftreten. Das demonstrierte er mit viriler Ausstrahlung sowohl als Stierkämpfer Escamillo in Bizets „Carmen“ als auch als Leporello in der berühmten Register-Arie aus Mozarts „Don Giovanni“.
Vom Theater Lübeck kommt Lukas Kunze: Er singt seine Arien nicht nur, er er- und durchlebt sie mit viel Emotion in seinem tiefen, sehr beweglichen Bass. Tiefen wie Höhen sind sorgfältig modelliert. Das hörte man sowohl in der Arie des Silva aus Verdis „Ernani“ als auch in der „Verleumdungs-Arie“ aus Rossinis „Figaro“.
Michael Doumas stand erst unlängst als Mitglied des Gesangsensembles „Canto Sonor“ auf der Bühne des Antretter-Saales, jetzt führte er seinen tiefschwarzen Bass mit schauspielerischer wie stimmlicher Wucht vor in der Arie des Ferrando aus Verdis „Troubadour“ und mit viel russischer Seele in der Arie des Königs aus „Jolantha“ von Peter Tschaikowsky.
Dramatisch-lebendig wurde es bei zwei Opernszenen. Mit rückhaltlosem emotionalem Überschwang gestalteten Oskar Hillebrandt und seine Frau Kayo Hashimoto das Duett Alfio/Santuzza aus „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni, schelmisch-humorig wurde es im Duett aus „La Serva Padrona“ zwischen Fanny Kern und Michael Doumas.
Einziger Tenor war der aus Schloßberg stammende Markus Herzog. Oskar Hillebrandt lobte ihn bei der Vorstellung gehörig als meisterlich, und in der Tat brillierte Herzog mit stimmgewaltigem, bronzen bis golden schimmerndem Tenor und glänzenden und mühelos erreichten Spitzentönen. Das ganze Leid des betrogenen Clowns Canio strömte aus dessen Arie „Vesti la giubba“ aus dem „Bajazzo“ von Ruggiero Leoncavallo, große Melodiebögen und frei schwingende Spitzentöne, die auf einem guten Atempolster sitzen, zeigte er in der schönen Arie „Cielo e mar“ aus „La Gioconda“ von Amilcare Ponchielli.
Ausgelassen sangen als Zugabe nach dem herzlichen Applaus alle Meistersänger zusammen mit ihrem Meister „Funiculi, Funicula“.RAINER W. JANKA