Wenn Gershwin auf Mahler trifft

von Redaktion

Tosender Beifall für Orchesterkonzert „Mahler & Gershwin“ beim Immling Festival

Halfing – Tropisch, die Hitze. Und malerisch, der Blumengarten vor dem Festspielhaus des Immling Festivals, wo sich mit dem großen Orchesterkonzert „Mahler & Gershwin“ der Festspielsommer langsam dem Ende zu neigt.

Musik fein
konturiert

Klangfarben- und variationsreich, so hofft man, wird das Immling Orchester drei große Werke interpretieren. Enttäuscht wurde keiner. Musikalische Leiterin Cornelia von Kerssenbrock hielt zwar keinen Pinsel in der Hand. Doch der Dirigierstab in ihrer Rechten vermochte im übertragenen Sinn Ähnliches: Mit ihm ließ sie das Orchester Musik fein konturieren, formen, akzentuieren und gestalteten – und damit den Tonschöpfern Mahler mit seiner fünften Symphonie und Gershwin mit seinem „Amerikaner in Paris“ sowie der „Rhapsody in Blue“, huldigen.

Was macht ein Amerikaner in Paris? Staunend der Geräuschkulisse der Großstadt lauschen und sich kompositorisch vom französischen Savoir Vivre inspirieren lassen. Scheint so: Sein Musik gewordenes „Reisetagebuch“ aus verschieden tönenden Pariser Taxihupen auf den Champs Elysees oder dem rauschenden Motorgetöse des Stadtverkehrs stellt ein vielfältiges Erinnerungsspektrum dar, dem er den amerikanischen Lebensrhythmus gegenüberstellt – Gershwin ist ein genialer Klangmaler. Und das Immling Orchester weiß ihn zu nehmen, packt leger das Französische mit dem Amerikanischen in eine Klangschale und bringt die Zuhörer mit Ragtime-, Blues- und Charleston-Rhythmen zum Schwelgen. Und ob ein chinesischer Pianist „amerikanisch“ kann, also den lässig-coolen Ton Gershwins trifft und seine swingenden Rhythmen rüberzubringen imstande ist? Yes, he can! Der in China geborene Pianist Haiou Zhang hatte mit der „Rhapsody in Blue“ in Immling sein Hausdebüt und überzeugte vollumfänglich: Traumwanderlisch und selbstsicher holte er im perfekten Zusammenspiel mit dem Orchester assoziativ das Herzstück New Yorks, seine Freiheitsstatue, Manhattan, den Jazzclub Birdland am Broadway, Bluestöne und Jazz aller Richtungen nach Immling. Das der Komposition innewohnende Gefühl von Freiheit und Lebensfreude sprang auf die Zuhörer über – man fühlte sich förmlich amerikanisiert.

Die Pause war insofern sinnvoll, dass im zweiten Konzertteil Gustav Mahlers 5., wohl seine bekannteste Symphonie, den gebührenden eigenen Raum zur Klangentfaltung verdiente. In einer 70-minütigen musikalischen Glanzleistung zeigte das Immling-Orchester auch hier seine enorme Qualität.

Da von Kerssenbrock die emotionale Wirkung von Mahlers Musik mehr als nur verstanden hat, kann sie ihre Essenz eins zu eins an die Musiker weitergeben – und diese an die Lauschenden. Als Schwester im Geiste durchdrang sie die zutiefst menschlichen Themen aus Mahlers fünfsätzigem Werk, welches vor allem für den Trauermarsch im ersten Satz sowie für das Adagietto, das Luchino Visconti im Jahr 1971 als Filmmusik für seinen Film „Tod in Venedig“ verwendete, so populär ist. Kaum ein anderer hat so hingebungsvoll mit den letzten Fragen und Dingen gerungen, wie Mahler und kaum einer konnte seine damit verbundene Emotion so intensiv in Noten wiedergeben und spürbar machen.

Liebeserklärung
an Alma

Ein echter Höhepunkt in dieser Spielzeit: Das Adagietto, seine „persönliche Liebeserklärung an Alma“, ließ die Zeit in Immling stillstehen – diese Feinheiten in Mahlers Artikulation und Dynamik ließen schwebend lauschen und am Ende, dem Schlusssatzthema entsprechend, in grenzenlosen Jubel ausbrechen.

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