Das Drama eines Müllerburschen

von Redaktion

Der Tenor Kevin Conners eröffnet „Suchers Seeoner Leidenschaften 2024“ mit Liederzyklus von Franz Schubert

Seeon – Was ist schon ein Müllergeselle? Er mag ja in Ordnung sein, aber sonst? Keiner, mit dem ein Mädel gesellschaftliches Ansehen erhielte. Ein Jäger ist da eine ganz andere Partie: tatkräftig, mutig und ein ganzer Kerl. Das Mädel entscheidet sich – natürlich für den Jäger. Der um sie unentwegt und zäh Werbende stürzt sich in die Verzweiflung. Der Bach, der ihm zum Freund wurde, ist ihm am Ende ein Totenbett.

Mit diesem mehrteiligen, ohne Pause ablaufenden Drama eines hin und her geworfenen Jugendlichen, das verlockend „Die schöne Müllerin“ heißt, in 25 Gedichte gekleidet von Wilhelm Müller, 1823 von Franz Schubert vertont, steigt der Münchner Theatermann und Romancier C. Bernd Sucher in seine bis zum 18. August laufende Reihe ein, die er, wie zuvor „Münchner“, seit 2023 nun auch „Seeoner Leidenschaften“ nennt. Er wählt ein anspruchsvolles Programm, eines, für das ein Publikum nicht nur fast anderthalb Stunden Sitzfleisch, sondern auch Verständnis für den Inhalt mitbringen muss.

Im Festsaal des Kultur- und Bildungszentrums im ehemaligen Kloster Seeon hätten beinahe noch einmal so viel Zuhörende Platz gehabt als gekommen sind. Wehmütige Romantik und tragische Liebeslyrik – das ist freilich nicht jedermanns Sache, zumal für einen Sommersamstag, der mit heißen Temperaturen eher den abendlichen Weg an den Seeoner See als ins Hausinnere weist. Wie sich zeigte, gibt es Menschen unserer Region, die einen Liederabend mit seinen geforderten Anstrengungen willkommen heißen und sich von ihm beschenken lassen.

Drei Agierende machten diese Kulturveranstaltung zum Ereignis: ein Sänger, seine Begleiterin am Flügel und ein Rezitator. Kevin Conners kennt, wer je eine Aufführung der Bayerischen Staatsoper erlebte. Dieser Spieltenor, der in die Fußstapfen eines Friedrich Lenz oder Ferry Gruber gestiegen ist, gehört seit 34 Jahren in beinah jedes Gesangsesemble am Nationaltheater. Auf seine kernigen, trefflichen und nun auch mit Sucher`scher Leidenschaft erfüllten Rollen – zuletzt die des Dr. Blind in der „Fledermaus“ von Regisseur Barrie Kosky – kann man in München nicht verzichten. Als Liedsänger steigert der US-Amerikaner sich erwartungsgemäß mit dramatischem Aplomb in das Schicksal des Müllergesellen. Seiner blendenden Stimme und mitreißenden Gestaltungskraft ist dieser Seeoner Abend der Sonderklasse zu danken.

Der punktgenau und eigenwillig dramatisierenden Pianstin Anne Schätz gelang am Flügel eine Meisterleistung des sich teils zurücknehmenden, teils starke Impulse gebenden Begleitens. Der in Seeon wohnende Münchner Anwalt Wolfgang A. Rehmann las Müllers von Schubert unvertont gebliebene Gedichte in einer das Publikum im Goethe-Tonfall unmittelbar ansprechenden Weise.Hans Gärtner

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