Aschau – Wer Carl Maria von Webers romantische Oper „Freischütz“ erleben möchte, aber wenig Lust auf langatmige Arien oder komplizierte Zusammenhänge hat und bestens unterhalten werden will, der ist bei Oper im Taschenformat bestens aufgehoben. Für eine gelungene Aufführung in der Aschauer Festhalle brauchte es nur wenige Zutaten: Eine Bühne (die Festhalle mit ihrem gemaltem Hintergrundbild vom Priental bot die perfekte Kulisse), ein großartiges Sängerquartett, fünf perfekt aufeinander eingehende Instrumentalisten, einen Jägerchor (der Männerchor Aschau hier in hervorragender Artikulation und Stimmgewalt) sowie einige wenige Requisiten.
Seifenblasen
als Freikugeln
Ein papierner Weißkopfseeadler, den – nachdem von einem Schuss („peng!“) getroffen – Maestro Concertante Johannes Erkes zu Boden segeln ließ. Seifenblasen, die die Freikugeln symbolisieren, auch wenn sie des Teufels sind. Einen Umhang und eine Maske, die Samiel Phantomas-mäßig ausstatten sowie zwei weiße Vorhänge für die Gespenster, die mit schaurigem „uiui“ in der Wolfsschlucht das Gießen der Freikugel begleiten. Und das Publikum muss mitmachen. Denn: „Wenn Sie nicht mitsingen, bin ich mir nicht sicher, ob Agathe überlebt.“
Doch der Reihe nach. Die Oper, 1821 uraufgeführt, spielt in Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg. Jäger Max darf seine geliebte Agathe, Tochter des fürstlichen Oberförsters, nur heiraten, wenn er einen Probeschuss besteht. Um diesen Schuss zu meistern, verbündet sich Max mit Kaspar und lässt magische Freikugeln in der Wolfsschlucht gießen.
Die müsse man sich, so Erkes, „quasi als eine No-Go-Zone, also Berlin-Neukölln“ vorstellen. Derweil bedenkt Agathes Cousine Ännchen die ahnungslose und doch von einer bösen Vorahnung erfüllte Agathe („eine Panikattacke?!“) mit ihrer positiven Stimmung. Johannes Erkes navigierte geschickt durch die gekürzte Fassung, garniert mit humorvollen Erklärungen und charmanten Seitenhieben auf einen der Sponsoren der Festivo-Reihe. „Fünf Momente der Oper müssen Sie kennen, wenn Sie angeben wollen. Das ist wie bei fünf Modellen dieser Autoreihe.“ Die Ouvertüre gelang dem Streichquartett (Elisabeth Schütz, Violine I, Alexander Vicar, Violine II, Elizabeta Crnojevic, Cello, Johannes Erkes, Bratsche, und Alexander Kuralionok am Akkordeon) aufs Vortrefflichste.
So plastisch, dass man sich sofort in der freien Natur und lichten Wäldern wähnte, Jagdmotiv der Hörner (hier Akkordeon) inklusive. Überhaupt erwies sich das kleine Orchester als perfekter „Maler“ der jeweiligen Umgebung im Fortgang der Oper und als durchgängig einfühlsamer Begleiter der Sänger. Die überzeugten mit präziser Artikulation und Spielfreude. Die Arie des Max (Karo Khachatryan) „Durch die Wälder, durch die Auen“ war geprägt von lyrisch-sanften Phrasen und Dramatik, auch wenn Khachatryan ein bisschen in der Höhe tricksen musste. Agnes Preis als Agathe begeisterte mit schlankem Sopran, der im Fortgang der Oper immer gehaltvoller wurde.
Florian Dengler nahm man den Kaspar ab, auch wenn sein Bass manchmal noch düsterer hätte klingen dürfen und Lea Kohnen glänzte als Ännchen mit lyrischem Sopran bei „leise, leise, fromme Weise“. Dazu noch der Chor der Jäger (der Aschauer Männerchor), der sich mit praller Lebensfreude – bekräftigt mit einem lautmalerischen „Jo, ho! Tralalalala!“ – präsentierte. Oper im Taschenformat braucht aber auch die Unterstützung des Publikums.
Dickes Lob
für das Publikum
Und auf das konnte Erkes zählen: Schon nach der ersten Strophe des Brautjungernfernliedes bescheinigte Erkes den sangesfreudigen Zuschauern, „gut“ zu sein. Und als er nach der vierten und letzten Strophe den Zuschauern ein „Sie-waren-hinreißend“ zurief, konnte man ahnen, dass die Oper auf ein Happy End hinauslief, auch wenn die eigentliche Ur-Geschichte von August Apel tragisch endet. Wahrlich eine Oper im volkstümlichen Stil. Der Kooperation mit der „Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation“ sei es gedankt, dass große Opernwerke im Taschenformat auf die Bühnen kommen. In perfekter Manier, aber mit Augenzwinkern und Lokalkolorit, versteht sich.