Erl – Tomaten sind ein wesentlicher Bestandteil der mediterranen Küche, ihre Inhaltsstoffe wie Lycopin beugen Krebs vor und bremsen die Alterung der Haut und Faltenbildung – kurzum: sie machen gesund und glücklich. „Alegría“. spanisch für „Freude“, stand denn auch als Motto über dem Gitarrenfestival in Erl, wie Organisatorin und Musikerin Julia Malischnig erläuterte. Passend dazu schloss der spanische Gitarrist und Flamenco-Weltstar Tomatito den Reigen aus vier hochklassigen Konzerten ab.
Die „kleine Tomate“, so der Spitzname, heißt eigentlich José Fernándes Torres, stammt aus Almeria und wurde als Zwölfjähriger von Paco de Lucía gefördert. Diesen löste er als Begleiter des legendären Sängers Camarón de la Isla ab und startete zudem eine erfolgreiche Solokarriere mit Ausflügen in andere Genres wie Klassik und Jazz, um jedoch stets dem Flamenco verbunden zu bleiben.
Im ausverkauften Erler Festspielhaus gastierte er mit seinem Sohn José, freilich auch schon mit dem Beinamen „del Tomate“ firmierend. Mehr als nur Unterstützung waren die Sänger Kiki Cortiñas und Morenito de Íllora sowie Perkussionist „El Piraña“. Teils kannte man die Akteure noch vom Auftritt von vor acht Jahren bei den Bad Aiblinger „Saitensprüngen“. Als besonderes Schmankerl war noch Tänzer „Torombo“ (deutsch „Posaune“) mit dabei, der in Sevilla eine Flamenco-Schule betreibt.
Nach einem melodischen, klassischen Gitarrenintro von Vater und Sohn nahm das Ensemble schnell Fahrt auf und sorgte für erste Höhepunkte. Hier fungierten die Gitarren als Begleitinstrument, die „cantaores“, die Sänger, setzten hier den durchaus rasanten Rhythmus, unterstützt von den „palmas“, den Handflächen mit komplexem Klatschen.
Träumerische Saitenpassagen wechselten sich ab mit Cajón und Perkussion, spannungsgeladen, schnell und mit überraschenden Brüchen und Neuansätzen. Ein Solo von José mit Bezügen zur spanischen Klassiktradition demonstrierte grenzgängerisches Wirken, das Ensemble kredenzte im Anschluss eine Hommage an Camarón de la Isla – fulminant und mit Riesenapplaus belohnt. In diesem Duktus setzte sich der wohlchoreografierte Auftritt fort, mit tollen Szenen des Gesangsduos und einem klassischen Intro mit Anklängen an das „Concierto de Aranjuez“.
Schließlich hatte auch Tänzer Torombo seinen großen Solo-Auftritt. Mit wilder Mähne und viel Temperament wirbelte er auf der Bühne und setzte mit kurzen, festen Schritten seine umjubelten Akzente.
Das begeisterte Publikum erklatschte stehend noch eine Zugabe, wieder vom kompletten Sextett und erfreulich lange. Insgesamt zeigten Tomatito und Ensemble die große Bandbreite und die vielen Farben des Flamenco zwischen Tradition und modernen Einflüssen – ganz große Klasse.
Andreas Friedrich