Kunst in Zeichen des Krieges

von Redaktion

Interview Kurator Peter Kees zur Ausstellung „War Aspects“ auf dem Ludwigsplatz in Rosenheim

Rosenheim – Eine Kunstaktion führt David Adam am Donnerstag, 29. August, im Rahmen von „War Aspects“ am Ludwigsplatz in Rosenheim durch. Adam errichtet eine temporäre Skulptur aus 430 hölzernen Worten, die sich mit Sinn, Bedeutung und Verwendung von Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Krieg in und um Gaza, Israel und die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete, dessen Wahrnehmung und den Umgang damit in Deutschland auseinandersetzt.

Herr Kees, Sie kuratieren ganz aktuell in Kooperation mit dem Berufsverband Bildender Künstler und unterstützt vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Kunstaktion „War Aspects“ – können Sie Anlass und Intention der Veranstaltungsreihe kurz umreißen?

Laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz gibt es zurzeit mehr als 100 bewaffnete Konflikte weltweit. Darunter sind unter anderem die Kriege in der Ukraine und in Israel-Palästina, die bekanntlich auch hier enorme Konsequenzen haben. Stichworte: Zeitenwende, Sanktionen, 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, Aufrüstung, Waffenlieferungen, Staatsräson usw. In solchen Zeiten sind aus meiner Sicht die Künste massiv gefordert, denn sie können Sichtweisen in Frage stellen, anregen, Input liefern, eingefahrenen Denkschemata aufbrechen und vieles mehr. Den patriarchalen Strukturen der Militarisierung etwa kann man etwas entgegensetzen, sie anders denken. Das Projekt „War Aspects“ geht deshalb mit künstlerischen Interventionen zum Phänomen Krieg in den öffentlichen Raum, um Menschen Input anzubieten. Sechs verschiedene Projekte durchziehen so Bayern. Es wird eine Skulptur aus Worten geben, eine Sound-Collage zum Thema Tod, ein Sign-Spinning-Schild mit dem Wort „War“ darauf, eine Aktion mit Kriegsbildern in städtischen Idyllen, einen recht radikalen Umgang mit reaktionären Tendenzen sowie vergoldete Spielzeug-Panzer. Wir starten in Grafenwöhr, ziehen über Rosenheim, die Zugspitze, Nürnberg, den Ebersberger Forst, Bamberg, Bayreuth, Weiden, Hof, Landshut, Regensburg, Augsburg bis nach München. Künstlerisch beteiligt sind neben David Adam aus Dresden, Andy Webster aus Großbritannien, Mads Lynnerup aus Dänemark, Frenzy Höhne aus Leipzig, Manaf Halbouni aus Dresden und ich selbst.

Was kann eine solche Kunstaktion eigentlich leisten angesichts der vielen Nachrichten aus Krisen- und Kriegsgebieten?

Kees: Die Künste bieten Zugänge zu Themen, wie sie in Nachrichten, Kommentaren und Analysen nicht vorkommen können, denn sie agieren auf Ebenen und Bewusstseinsschichten, die viel weiter, tiefer gehen. Klar vermitteln die Künste intellektuell etwas, aber eben nicht nur. Metaebenen, Emotionen, spielerische Aspekte sind hier Stichworte. Das kann so weit gehen, dass Kriege in den Künsten sogar stellvertretend geführt werden können, ohne dass Blut fließen muss. Wichtig dabei: Wir wollen niemanden etwas erklären. Denken müssen die Leute selber.

In Rosenheim wird der Künstler David Adam am Donnerstag am Ludwigsplatz eine Aktion starten. Bitte verraten Sie uns doch dazu etwas über den Künstler und sein konkretes Vorhaben.

David Adam stammt aus Dresden. Er war Stipendiat der Stiftung Kunstfonds in Bonn und ist in den letzten Jahren mit ernsthaft-ironischen Aktionen im öffentlichen Raum bekannt geworden. Für „War Aspects“ hat er eine künstlerische Arbeit entwickelt, die sich mit Sinn, Bedeutung und Verwendung von Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Krieg in und um Gaza, Israel und die weiteren von Israel besetzten palästinensischen Gebiete, dessen Wahrnehmung und den Umgang damit in Deutschland auseinandersetzt. Aus 430 hölzernen Wort- und somit Bedeutungsträgern errichtet er eine temporäre Skulptur, die spielerisch verändert wird und mit jedem Wiederaufbau ihren Sinnzusammenhang verschiebt. Der Hintergrund:

Begriffe sind heute mitunter aufgeladen, instrumentalisiert. Manche Worte gewinnen an Bedeutung oder verlieren ihren Sinn, scheinen geboten oder werden untersagt. Ich darf David Adam zitieren: „Im Alltag des Politischen ist es nicht leicht, richtig zu verstehen und verstanden zu werden.“

Vor wenigen Wochen erst wurden in Rosenheim Werke von Hermann Josef Hack zu politischen Themen wie Klimakrise mutwillig beschädigt. Macht man sich mit Kunst im öffentlichen Raum – hier in der Fußgängerzone – selber angreifbar und mit welchen Reaktionen rechnen Sie ?

Wir rechnen nicht mit kriegsähnlichen Reaktionen. Davids Aktion ist dezent und offen. Sie provoziert nicht in eine bestimmte politische Richtung.

Aber ich kann mir gut vorstellen, dass manche Menschen Davids Performance nicht kalt lassen wird. Sie ist – schon rein optisch – eine Irritation im Alltäglichen, die Erstaunen, Befremden und einiges mehr auslösen kann. Mit einer solchen Erfahrung kann es durchaus Zuseher oder Zuseherinnen geben, für die sich dadurch die Sicht auf die Welt ändert.

Interview: Andreas Friedrich

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