Verliebt in „Fräulein Klarinette“

von Redaktion

Musik mit und ohne Luft am zweiten Tag der Traunsteiner Sommerkonzerte

Traunstein – Fast sein ganzes Leben lang liebte Johannes Brahms Clara Schumann, am Ende seines Lebens verliebte er sich neu: in den weichen und warmen Klang von „Fräulein Klarinette“, wie er dieses Instrument nannte. Für sie komponierte er seine letzten Werke, darunter das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier a-Moll op. 114, mit dem das zweite Konzert der Traunsteiner Sommerkonzerte im Kulturforum Klosterkirche begann.

Diese Liebe verstand man sofort, als der Klarinettist Kilian Herold mit einem geheimnisvoll-bezaubernden Pianissimo begann. Das Element „Luft“ ist ja das heurige Motto – aber Herold ist mit seiner Klarinette so verwachsen, dass man nie merkte oder gar hörte, wie und wann er Luft holte, die Luft strömte als Klang aus ihm heraus.

Die Motiv-Bälle
flogen nur so

Maximilian Hornung am Cello antwortete ihm schmelzend-singend, Benjamin Engeli am Klavier überdrehte nie im Klang, so volltönend seine Akkorde auch waren: Alle drei waren sich einig, spielten sich die Motiv-Bälle zu, spannen die Motive fort und verwoben sich zu einer klangsinnlichen und klangsatten Einheit. Dabei reizten sie die reichlich ausgestreuten dynamischen und agogischen Kontraste lebhaft aus, das Cello mit durchaus starkem Bogendruck, die Klarinette mit sehnsüchtigen Arabesken, das Klavier mit reicher Harmonik. Große melodische Bögen zogen sie im Adagio, auch über die sich immer weiter zerlegten Teile des Hauptmotivs, sangen unendlich zart und doch schwellend und schwelgend, wiegten sich im Andante grazioso graziös im Walzertakt und dudelten fröhlich im Landler des Trios.

Ganz unvermittelt stürzten sie sich ins ungarisch geprägte Finale und betonten dabei lustvoll die rhythmischen Finessen, die jähen Sforzati und die überfallartigen Synkopen. Doch alles blieb dabei leicht, elegant und wendig. Nichts war hier zu spüren von Düsternis, von grauer Stimmung, die der englische Kritiker Daniel Gregory diesem Werk zuschrieb. Hier herrschte abendsonnigliche Verklärung.

Musik ganz ohne Luft bestimmte den zweiten Teil: Beethoven hat seine 6. Symphonie, die „Pastorale“, im Jahre 1808 geschrieben. Schon zwei Jahre später hat Michael Gottfried Fischer sie für ein Streichsextett arrangiert, der weiteren Verbreitung wegen, so dass man auch im häuslichen Kreise die große symphonische Musik genießen konnte.

Wieder saß Maximilian Hornung, der Intendant der Traunsteiner Sommerkonzerte, am Cello, neben ihm Paul Handschke ebenfalls am Cello, Jano Lisboa und Liisa Randalu an der Viola, Johannes Strake und Noa Wildschut an der Geige. Letztere leitete als Primaria aufs Anmutigste mit viel Körperbewegung die Gruppe. In raschem tänzelnden Tempo begann das fröhliche Landleben, einschmeichelnd-munter und gut durchlüftet dargeboten, traulich plätscherte der Bach mit sanften Geigentrillern und strömenden Streicherklängen, wirbelnd und dann derb-rustikal mit hörbaren Bogengeräuschen tanzten die Landleute – da flog der Pferdeschwanz der Primaria heftig umher.

Regen tropfte
aus den Geigen

Leises Donnergrollen kam aus den Celli, Regen tropfte aus den Geigen, bis das Ungewitter mit harten Bogenstrichen, heulenden Geigenklängen und deutlich hörbaren Blitzezucken sich entlud. Eher zügig kam auch das abschließende Dankgebet der Landleute.

Ganz erstaunt war man selber, dass man die Blasinstrumente überhaupt nicht vermisste: Die Bratschen imitierten aufs Sonorste die Hörner, die Geigen aufs Feinste die Nachtigall und den Kuckuck. Es war ein einziges fröhliches Strömen und Singen mit seidig-weichem Streicherklang: purer Genuss.

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