Bruckmühl – Die vierte Ausstellung dieses Jahres in der Galerie Markt Bruckmühl, die dem Konzept von Andreas Legath folgt, dass nacheinander alle künstlerischen Beiräte der Galerie eine Präsentation kuratieren können, stammt von Doris Hahlweg.
Sie hat ihre Ausstellung unter das Thema „Farbe ohne Titel“ gestellt und fünf weitere Maler eingeladen, die ihre ganze malerische Konzentration auf die Farbe richten. Es gibt keine dingliche Darstellung, nur den Farbauftag auf Aluminium, Leinwand oder Papier mit den Malmitteln Öl, Acryl oder Aquarell. Nichts Gegenständliches ist auf den Bildern zu sehen, und dennoch strahlen sie ausnahmslos Lebendigkeit aus.
Unverkennbare Handschriften
Und noch etwas fällt auf: Die Bilder sind von großer Vielgestaltigkeit und ohne Zögern dem jeweiligen Maler zuzuordnen, die Handschriften sind unverkennbar. Und eine kluge Hängung öffnet die Augen dafür, auf welche Weise sich die verschiedenen Arbeiten voneinander unterscheiden.
Gleich im Eingangsbereich hängt ein Bild der Kuratorin Doris Hahlweg, und es weist alle Charakteristika ihrer Gestaltungsweise auf. Es ist auf einer doppelten Aluminiumplatte gemalt, mit Ölfarbe, die eine gute Haftung auf dieser glatten Oberfläche besitzt. Die Künstlerin arbeitet gerne mit festem, unnachgiebigem Maluntergrund. Im Kontrast dazu steht das eher zarte malerische Ergebnis.
Die Farben, die oft durchscheinend bleiben, trägt sie mit breitem Pinsel auf, und das Auge des Betrachters kann die Pinselspuren verfolgen. Zwei spitz zulaufende Elemente teilen das Bild in mehrere Bereiche auf. Das Hauptaugenmerk wird auf ein Gestaltungselement gelenkt, das in Hahlwegs Gemälden häufig auftaucht und immer wieder Denkanstöße gibt. Von einem querliegenden farbigen Balken laufen dünne, lange Streifen parallel über das Bild. Ihre Richtung variiert, mal laufen sie seitwärts quer über das Gemälde, mal senkrecht von oben nach unten, je nachdem, in welche Richtung die Künstlerin das Bild neigt. Die gemischte Ölfarbe muss genau die passende Konsistenz haben, nicht zu dünn- und nicht zu dickflüssig, um die vorgesehenen Bahnen zu erzeugen. Hahlweg wurde in São Paolo, Brasilien, geboren, studierte später an der Akademie der Bildenden Künste München. Seit 2017 gehört sie dem künstlerischen Beirat der Bruckmühler Galerie an.
Im großen Raum im Erdgeschoss begegnen sich zwei Maler mit ihren diametral geschaffenen Werken. Der Engländer Jon Groom und der Münchner Uli Zwerenz haben sich den Raum geteilt, indem sie auf jede Wand zwei Bilder hängten: einmal Zwerenz und daneben Groom. Das ist ein Lehrstück der gegenstandslosen Malerei und zeigt, wie unterschiedliche Ergebnisse nur mit Farbmalerei erzielt werden können.
Sind die Bilder von Jon Groom auf geometrische Formen in jeglicher Farbe konzentriert, so legt Uli Zwerenz seine Gemälde vielschichtig an und verblüfft durch einen Farben- und Formenreichtum, der kein Ende zu finden scheint. Selten monochrom, explodieren die Bilder schier vor Farbigkeit und unerschöpflichem Gestaltungswillen. Zwerenz, der in Berlin studierte und in München lebt und arbeitet, ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Ein Lehrstück konkreter Malerei bieten die Gemälde von Groom. Quadrate in allen Farben reihen sich nebeneinander und untereinander zu einer ruhigen Impression. Ein solchermaßen stilles Bild setzt einen idealen Kontrapunkt zu den mit unzähligen Wegen und Verästelungen „gefüllten“ Bildern von Zwerenz. Hier Ruhe und Kontemplation, dort Lebhaftigkeit und überbordende Energie. Und ein auffallender Aspekt: Jedes Bild nimmt in einem Element eine Farbe aus dem nebenan hängenden Bild auf.
Jon Groom wurde in Wales geboren und kann auf Ausstellungen in London, New York und Mexiko-Stadt zurückblicken.
Über Ingrid Floss erfährt der Besucher, dass sie nach ihrem Studium in München eine Lehrtätigkeit am Hubei Institute of Fine Arts in Wuhan, China, ausübte. Ihre oft großformatigen Gemälde sind mit kräftigfarbenen Elementen gestaltet. Auch bei ihr enthalten die Bilder kein Narrativ, erzählen nichts, tragen keine Titel. Sie basieren gänzlich auf dem Zusammenstellen von Farbfeldern auf der Leinwand und darauf, Farben in immer neuer Kombination zum Leuchten zu bringen.
Oft überschneiden sich die malerischen Elemente und schaffen dadurch eine weitere Dimension im Bild. Dass die Farbe des unteren Elements durchschimmern kann, ist ein weiteres Gestaltungsmittel. Der Lehrer von Ingrid Floss an der Akademie in München war Jerry Zeniuk.
Vertreter der „Radical Painting Group“
Nahezu monochrom sind die Bilder von Marcia Hafif und Phil Sims, die die Galerie Rupert Walser als Leihgabe zur Verfügung stellte. Die beiden gehören zur „Radical Painting Group“, die in den 1970er- und 1980er-Jahren mit rein auf die Farbe konzentrierter Malerei die Kunstszene überraschte. Der Fokus liegt auf Pigment, Bindemittel, Werkzeug und Bildträger. Ein gelbes Bild etwa von Marcia Hafif, die von 1929 bis 2018 lebte, enthält kaum wahrnehmbare Linien in dunklerem Gelb. Von Phil Sims, Jahrgang 1940, wird ein Bild in Dunkelgrün mit minimal sichtbarer Textur präsentiert.
Auch das Dachgeschoss wurde sorgfältig geplant. Etwas Neues brachte Jon Groom ein: Er hängte statt seiner Ölbilder „Water Colours“ auf: ungerahmte Aquarelle auf Papier, die er in der kleinsten Kammer des Hauses unterbrachte. Sie wiederholen die Thematik von Groom, geometrische Elemente darzustellen, nur in diesem Falle nicht streng in der Form, sondern mit leicht geschwungenen Linien.