Bad Aibling – „For your eyes“ lautet der Ausstellungstitel des Wasserburger Malers Manuel Michaelis, der bis zum Sonntag, 6. Oktober, seine Bilder im alten Feuerwehrgerätehaus in Bad Aibling präsentiert. Die meisten Bilder empfinden die Fotos nach, die Michaelis über Jahrzehnte gemacht hat. „For your eyes“ legt eindringlich nahe, die Bilder ausgiebig zu betrachten, gegebenenfalls auch laut zu kommentieren, so wie es in den Museen anderer Länder üblich ist.
Geschichten
von Menschen
Die Gemälde von Michaelis – insgesamt sind 23 zur Hängung gekommen – erzählen vom Menschen, obwohl dieser nicht auf allen Bildern zu sehen ist. Aber die Spuren, die er hinterlässt, sind überall. So zum Beispiel in dem einer Luftaufnahme nachgestalteten Gemälde mit der Bezeichnung „Upstate New York“, das verschneite Hochhausdächer von oben zeigt. Die umgebende Landschaft ist schneefrei, aber auf den Dächern ist wegen kalter Oberflächen der Schnee liegen geblieben.
Das Bild wirkt, als sei von Riesenhand Wäsche zum Trocknen ausgelegt worden. Manchmal sind die Titel bewusst provokant oder irreführend, so wie bei der glatten, gläsernen Hochhausfassade, hinter der am Abend noch vereinzelt Personen arbeiten. Als hätte der Mensch nicht Probleme genug in seiner Arbeitswelt, lautet die Unterschrift „…. und dann noch das Bienensterben“. „EinsKommaFünfGrad“ heißt der Titel einer Arbeit, auf der eine gepflegte Hand eine Pistole hält, die Hand allerdings noch nicht am Abzug. Und während der Betrachter grübelt, ob damit der Neigungswinkel der Waffe gemeint sein könnte, offenbart der Künstler, dass hiermit das erhoffte Klimaziel angesprochen ist. Erschreckend das Hochhaus Grenfell Tower in London, ein Projekt mit Sozialbauwohnungen, 1970 bis 1972 erbaut, 2017 ausgebrannt und von Michaelis als schwarze Ruine im Bild festgehalten. „Welcome to hell“ lautet der Titel.
Auch Menschen gibt es, vereinzelt oder in Gruppen, aber immer scheinen sie einsam zu sein. Die hübsche junge Frau, bekleidet mit einem auffallenden roten Rock, hat ihr Handy in der Hand, offenbar um ein Selfie zu machen – eine nachdenkliche Attitude mit dem Thema „Selfreflection“. Frohsinn wird nicht vermittelt in den Bildern, selbst das sich drehende Kettenkarussell (Poetry of the Trivial) stimmt aus unerfindlichen Gründen nicht heiter. Vielleicht liegt es an der Anonymität der Gesichter, die nur angedeutet sind. Der Künstler merkt an, dass dieses Bild während des Jugoslawienkriegs entstand. „The Visit“ lautet der Titel eines Gemäldes von einem mehrstöckigen Treppenhaus, in dem ein männlicher Gast auf halber Höhe angespannt nach oben schaut. Ist er im Begriff, eine negative Nachricht zu überbringen oder erwartet er selber dort oben eine unangenehme Information? Grau sein Anzug, grau und lichtleer das Treppenhaus. Zwei Gemälde geben Hoffnung auf Positives: das Gesicht einer jungen Frau mit dem Titel „Cover Girl“ – bildschön, aber verfremdend geschminkt.
Und die untere Hälfte eines ebenfalls weiblichen Gesichtes, das ein Lächeln zeigt. Aber da man die Augen nicht sieht, kann man nicht wahrnehmen, ob das Lächeln auch die Augen erreicht hat. So bleibt die Stimmung insgesamt gedämpft, verhalten. Alle Gemälde sind in Öl auf Leinwand gemalt, viele sind in fotorealistischer Manier gestaltet.
Aber oft liegt ein leichter Schleier über dem Motiv, um die Härte ein wenig zurückzunehmen. Manche Bilder entpuppen sich erst bei genauerem Hinsehen als gemalt, von Weitem betrachtet könnten es auch die zugrunde liegenden Fotografien sein.
Die Präsentation regt zu längerem Betrachten ein. Wie gestaltet der Mensch heutzutage sein Leben?